27.12.2024, 08:00
Ex-Heat-Guard in Topform
Kendrick Nunn war über Jahre ein guter NBA-Spieler, bis ihn Verletzungen stoppten. Bei Panathinaikos Athen ist der Guard nach nur einem Jahr ein Publikumsliebling, auch weil er den europäischen Basketball voll angenommen hat. Im Moment ist Nunn kaum zu stoppen.
"Das nächste Mal, wenn wir gegen ihn spielen, macht ihn die EuroLeague hoffentlich nicht sauer", stöhnte Mailands Head Coach Ettore Messina nach einer 74:103-Abreibung in Athen. Gemeint war dabei speziell Kendrick Nunn, der mit 39 Punkten einen neuen Bestwert in der EuroLeague aufstellte und dabei sieben Dreier im ersten Viertel verwandelte (Rekord!).
Was war passiert? Panathinaikos, in die Saison als Titelverteidiger und Favorit gestartet, schwächelte in den vergangenen Wochen, leistete sich einige uninspirierte Auftritte, die auch vor Nunn nicht Halt machten. Noch im Juni hatte sich der Guard bei Pana-Fans unsterblich gemacht, als er die Grünen zum EuroLeague-Titel führte und im Anschluss einen neuen Zweijahresvertrag über jährlich 2,5 Millionen Euro unterschrieb.
Dieser Deal hat zwar im Sommer eine Ausstiegsklausel für die NBA, doch allein die Aussage, dass er in Europa nur für die Athener spielen wolle, ging für die Fans der Griechen runter wie Öl. Der Start gelang zwar, doch Pana brachte mit seinem Starensemble keine Konstanz aufs Parkett. Das Derby gegen Olympiakos ging verloren, der Tiefpunkt folgte Anfang Dezember in Belgrad, als man bei Partizan chancenlos war und Nunn sich sichtlich gefrustet mit den Schiedsrichtern anlegte.
Der 29-Jährige wurde für ein Spiel gesperrt, bei Coach Ergin Ataman klingelten aufgrund der mäßigen 8-6-Bilanz die Alarmglocken. "Ab morgen werden wir Boxen trainieren", kündigte der Türke an. "Beim Basketball geht es nicht nur darum, den Ball zu teilen, sondern auch darum zu kämpfen." Dies tat sein Team zu selten und ohne Nunn setzte es bei Anadolu Efes eine weitere empfindliche Niederlage (67:93).
Dann aber kehrte Nunn zurück - und wie. 39 Punkte gegen Mailand, zuletzt 26 Zähler und neun Assists (persönlicher Bestwert) gegen Baskonia. Der Guard unterstrich, dass er nicht zu Unrecht als bester Scorer, wenn nicht sogar als bester Spieler der EuroLeague gilt. Das merkte zuletzt auch Sasha Vezenkov an, der bekanntlich für den Erzrivalen in Piräus spielt. Womöglich wäre Nunn auch gar nicht in der EuroLeague, wenn ihn Knieverletzungen nicht ein ganzes Jahr gekostet hätten.
Zwischen 2019 und 2021 legte Nunn für die Miami Heat, ein Playoff-Team, das sogar die NBA Finals erreichte, 15 Punkte pro Spiel auf, bevor ihn die Los Angeles Lakers für fünf Millionen Dollar pro Jahr verpflichteten. In der Vorbereitung kamen die Knieprobleme, Nunn konnte über die komplette Saison nur zuschauen und fand in seiner zweiten Spielzeit keinerlei Rhythmus. NBA-Angebote blieben aus, Nunn unterschrieb im November 2023 in Athen - für beide Seiten ein Glücksfall.
Der Linkshänder ist explosiv, kreativ im Abschluss, ein zumindest solider Spielmacher und kann in den großen Momenten auch in der Defense eine Pest sein. Die Playoffs waren der beste Beweis dafür, Nunn drehte auf, als Panathinaikos im Viertelfinale vor dem Aus gegen Maccabi Tel Aviv stand. Nunn machte 27 und 26 Punkte in den Spielen 4 und 5, im Championship Game gegen Real Madrid waren es 21.
Und inzwischen ist er auch auf den Geschmack gekommen. "Ich liebe die Leidenschaft in Europa, das ist eine unglaubliche Erfahrung und ich bin wirklich glücklich, dass ich hierhergekommen bin." Nach seiner Sperre ist das auch auf dem Feld wieder spürbar.
"Er ist derzeit der beste Spieler in Europa, sie sollten ihm schon jetzt den MVP-Award geben", meinte Teamkollege Lorenzo Brown nach Nunns Dreier-Gala gegen Mailand. Durch die Verletzung von Center Mathias Lessort wird ohnehin noch mehr Verantwortung aufs Nunns Schultern lasten, dazu ist der Champion derzeit "nur" Sechster, was nicht dem Hegemoniestatus in Europa gerecht wird.
Sollte Nunn aber die Form der vergangenen beiden Spiele halten, dann dürfte sich das in dieser hart umkämpften EuroLeague schnell ändern. Nunn will auf jeden Fall mehr. "Ich habe 30 Punkte gemacht, nun will ich 40. Das ist mein nächstes Ziel. Und wenn ich das geschafft habe, werde ich 50 angreifen." Die Bayern sind gewarnt.
Robert Arndt