08.01.2025, 13:00
Würzburger Youngster etabliert sich bei den Profis
Hannes Steinbach mischt mit 25 Punkte, 13 Rebounds und fast drei Blocks pro Spiel ein 18-die drittklassige ProB auf. Gleichzeitig stand der 18-Jährige in der BBL schon dreimal in der Starting Five. Wer ist der Big Man, der im Sommer mit der deutschen U-18-Nationalmannschaft Europameister wurde und um den angeblich zahlreiche US-Colleges werben?
Steinbach wurde das Basketballspielen buchstäblich in die Wiege gelegt. Vater Burkhard Steinbach spielte um die Jahrtausendwende lange Jahre - ebenfalls in Würzburg - in der Basketball-Bundesliga und war mit 2,12 m Körpergröße auch an den Brettern beheimatet. Hannes Steinbach gilt schon seit mehreren Jahren als vielversprechendes Talent, spielte sich jedoch in den vergangenen Monaten noch einmal vermehrt in den Fokus: Bei der U18-Europameisterschaft 2023 gewann der spielintelligente 2,07-Meter-Mann mit Deutschland die Bronzemedaille, spielte aber unter anderem hinter Toptalent Johann Grünloh nur acht Minuten pro Partie.
In der anschließenden Saison in der U19-Bundesliga NBBL wurde er zum MVP gekürt. Beim Albert-Schweitzer-Turnier war der Big Man einer der Garanten zur Bronzemedaille. Im vergangenen Sommer avancierte Steinbach dann auch zu einer Hauptstütze beim EM-Titel, erzielte im Schnitt 15 Punkte, 13 Rebounds und 1,4 Blocks in 25 Minuten pro Partie. Noch während des Turniers verkündeten die FIT/One Würzburg Baskets, dass der 18-Jährige seinen ersten Profivertrag erhält und per Doppellizenz in der BBL- und ProB-Mannschaft des unterfränkischen Traditionsklubs eingeplant ist.
Der Start in seine Profikarriere hätte kaum reibungsloser verlaufen können: In zwölf von 13 BBL-Spielen stand das Eigengewächs für den Tabellenvierten auf dem Parkett. Auch in der Basketball Champions League kam er in vier von sechs Partien zum Einsatz. Über alle Wettbewerbe summiert legt Steinbach laut Statistikportal RealGM für Würzburgs Erstligateam 3,1 Punkte, 3,6 Rebounds sowie je 0,4 Assists, Blocks und Steals in 11,9 Minuten pro Spiel auf. Noch beeindruckender sind bereits oben genannte Statistiken in der ProB-Mannschaft.
Als Neueinsteiger legt er in erst acht Partien sofort einen Effektivitätswert (33,8) auf, den in der für Saisons ab 2014 vorhandenen Online-Datenbank noch kein Spieler jemals in der ProB über eine Spielzeit erzielte. Im BBL-Team könnte Steinbachs Einsatzzeit in den kommenden Wochen noch steigen, denn auf den großen Positionen muss Coach Sasa Filipovski in Person von Fabian Bleck und Topscorer Zack Seljaas vorerst auf zwei Rotationsspieler verzichten.
Bewerb | Spiele | MIN | PTS | FG% | REB | BLK |
---|---|---|---|---|---|---|
BBL | 12 | 11,2 | 2,8 | 64,0 | 3,2 | 0,4 |
ProB | 8 | 31,5 | 25,4 | 54,7 | 12,9 | 2,9 |
Steinbach zeichnet sich vor allem über ein hohes Spielverständnis, Instinkte, Einsatzwillen und ein unkonventionelles Offensivspiel aus. Laut Datendienst 3StepsBasket sichert sich der Youngster in der BBL rund 18 Prozent der verfügbaren Rebounds. Unter allen Rotationsspielern griffen prozentuell nur Norris Agbakoko (Oldenburg), Demajeo Wiggins (Göttingen) und Filip Stanic ligaweit noch mehr Rebounds ab. Auch bei geblockten Würfen rangiert Steinbach auf 100 Ballbesitze normiert auf Rang neun.
Der gebürtige Würzburger gibt selten einen Ball verloren und agiert mit einer Körperlichkeit, die für sein Alter und in seinem ersten Jahr auf Profiniveau von Seltenheitswert ist. Mindestens genauso selten ist seine geringe Foulanfälligkeit, mit der er diese Physis schon einzusetzen weiß. In rund 135 BBL-Minuten beging er erst acht Fouls. Beim Rebound sowie beim Verändern von Würfen und Pässen profitiert der Jungspund, der im BBL-Team sowohl auf der Position Vier als auch auf Fünf agiert, auch von seiner immensen Armspannweite von 2,18 m bei 2,07 m Körperlänge in Schuhen.
Offensiv agiert Steinbach bislang primär im Rhythmus des Teams. Auch in der ProB agiert er für seine statistisch herausragenden Werte nicht sonderlich balldominant. Laut Datendienst Synergy punktet er primär in der Transition (6,7 Punkte pro Spiel), als Abroller im Pick-and-Roll (4,0) und aus Catch-and-Shoot-Dreiern (3,9). Der 2,07-m-Mann beweist offensiv regelmäßig seine Schläue, indem er sich sehr aufmerksam abseits des Balles bewegt und darüber hinaus auch darin überzeugt, eine tiefe Position in der Zone zu behaupten, den Ball mit nur einer Hand sicher zu verarbeiten und direkt abzulegen.
In zahlreichen Situationen beweist er darüber hinaus Handlungsschnelligkeit im Passspiel - sei es bei 'One-Touch'-Pässen oder dem Lesen der Hilfe. In der ProB-Mannschaft, mit der in der Vorsaison aus der 1. Regionalliga aufstieg, zeigt Steinbach obendrein ab und an spannende Ansätze im Kreativbereich. Häufig pusht er den Ball nach einem Defensiv-Rebound und schließt 'coast-to-coast' am anderen Ende ab. Gelegentlich läuft der Youngster auch als ballführender Spieler das Pick-and-Roll und findet häufig Lösungen - auch teilweise in Guard-Manier im Passspiel. Beim Zug zum Korb scheut der Rookie nicht den Kontakt. In 32 ProB-Einsatzminuten zieht er im Schnitt 7,3 Freiwürfe pro Partie. Immer wieder findet und attackiert er mit Entschlossenheit Lücken - bislang zumeist in gerader Linie zum Korb mit seiner stärkeren rechten Hand, wenngleich er auch vereinzelt Spin-Moves oder Eurosteps anbringt.
Im BBL-Team ist Steinbachs Rolle unterdessen eher klein. Coach Sasa Filipovski spielt ein eher unkonventionelles Offensivsystem, bei dem häufig Blöcke gestellt werden, um für die balldominanten Guards Mismatches zu kreieren oder aus dem Pick-and-Pop Ballbewegung zu erzeugen. Dies bedeutet, dass Steinbach relativ selten direkt in der Offensive involviert ist, sondern primär auf Cuts, Schnellangriffe, Offensiv-Rebounds oder Punkte, die gelegentlich doch aus dem Pick-and-Roll resultieren, angewiesen ist. Durch seine aufmerksame Bewegung ohne Ball kann Steinbach gelegentlich Akzente setzen.
Nach Johann Grünloh (19 Jahre), der als NBA-Kandidat gilt und in Vechta vor einem Jahr eine noch größere Rolle als Hannes Steinbach bei seinem BBL-Debüt ausfüllte, weist der Würzburger den höchsten Effektivitätswert aller U20-Spieler in der BBL auf. Dennoch spielt der Würzburger bei größeren US-Medienhäusern wie ESPN in Bezug auf NBA-Chancen bislang geradezu keine Rolle. Beim adidas Eurocamp im vergangenen Frühsommer spielte Steinbach - dort auch an der Seite von Nationalspieler Jack Kayil - eine eher kleine Rolle. Die größten Fragezeichen mit Blick auf Steinbachs Chancen auf eine Zukunft in der NBA liegen wahrscheinlich in Bezug auf Wurf, Athletik und Größe.
In von RealGM 51 statistisch erhobenen Partien trifft er bislang zwar überzeugende 36 Prozent seiner Dreier und passable 71 Prozent seiner Freiwürfe; die Stichprobe ist mit insgesamt 42 Dreierversuchen (0,8 pro Spiel) allerdings noch sehr gering. Seine Wurftechnik ist nicht dynamisch, aber durchaus flüssig. In 17 Pflichtspielen für Würzburgs BBL-Team nahm das Toptalent erst einen Dreier. Bislang bringt er den Wurf vorrangig an, wenn ihm die Defense sehr viel Platz anbietet. Aus der Bewegung, beispielsweise bei Post-ups, nimmt er den Wurf in der Regel nicht. Laut Synergy nahm Steinbach weder in der BBL noch in der ProB bisher keinen Sprungwurf aus der Nah- oder Mitteldistanz.
Neben seinem Wurf bestehen für eine mögliche NBA-Perspektive Fragezeichen in Bezug auf Athletik und Mobilität. Durch seine Armspannweite kann Steinbach defensiv durchaus einiges an Raum abdecken und offensiv gelegentlich für spektakuläre Dunks sorgen. Für NBA-Verhältnisse ist seine Athletik aber eher überschaubar. Seine Mobilität ist für einen großen Spieler in Europa durchaus ansprechend. Für NBA-Verhältnisse sind seine Bewegungen vielleicht aber etwas kantig und wenig dynamisch. Darüber hinaus ist der 2,07 m große Steinbach, der womöglich aber noch etwas wachsen kann, ziemlich klein und gleichzeitig kein Athlet wie ein kleinerer Center wie Daniel Theis in seinen besten Jahren.
Defensiv zeigt Steinbach mit seiner Schläue Stärken darin, Abstände zu Gegenspielern abzumessen. Ab und an fehlt es ihm aber noch an Mobilität in der Rückwärtsbewegung in der Hilfe. Perspektivisch könnten sich noch mehr Türen für Steinbach öffnen, wenn es ihm gelingt, seinen Wurf noch konstanter einzubringen und weitere spielerische Aspekte im Halbfeld, beispielsweise im Post-up oder beim Zug zum Korb, weiterzuentwickeln. Im Pick-and-Roll könnte er sich zudem noch etwas dynamischer und direkter zum Korb abrollen. Bislang rollt er sich auch gegen passivere Pick-and-Roll-Verteidigungen gern über eine Art Rückwärtsschritt in Richtung Freiwurflinie ab, von wo er zwar auch überzeugende Lösungen im Zug zum Korb oder als Passer anbietet, wodurch er gelegentlich aber etwas Explosivität einbüßt.
Mit seinen spielerischen Qualitäten, seinem gewissenhaften Spiel und seiner stetigen Entwicklung deutet viel darauf, dass Steinbach das Potenzial hat, ein weiterer starker deutscher Spieler auf den großen Positionen zu werden. Auf welchem Niveau er in den kommenden Jahren landet - ob er der nächste Burkhart Steinbach oder nach Dirk Nowitzki und Maxi Kleber gar der nächste Würzburger in der NBA werden könnte -, kann und sollte bislang nicht seriös oder fair bewertet werden.
Hannes Steinbachs erste Schritte im Profibereich sind beeindruckend, doch zunächst geht es für ihn wie auch für seine Europameister-Kollegen Ivan Kharchenkov (Bayern), Jack Kayil (Mega Belgrad), Declan Duru (Real Madrid 2) und Chris Anderson (Texas Tech/NCAA) darum, in ebenjenem Profibereich anzukommen und sich schrittweise zu etablieren.
Offen ist darüber hinaus auch, wo Steinbachs kurz- und mittelfristige Zukunft liegt. In Würzburg unterschrieb er einen Vertrag bis Saisonende. Zahlreiche US-Colleges sollen bereits Interesse an den Senkrechtstarter bekundet haben.
Lukas Feldhaus