23.09.2024, 10:26
Antetokounmpo und Lillard sind immer noch da
Der Trade für Damian Lillard brachte fürs Erste nicht den erwünschten Erfolg. Große Veränderungen konnten sich die Milwaukee Bucks im Sommer dennoch nicht leisten - und die Liga zweifelt bereits am Champion von 2021. Einfacher wird es nicht. Bleibt der Erfolg also zwingend aus? Nicht unbedingt. Im Gegenteil. Der Glas-halbvoll-Ansatz…
Zu behaupten, die Liga fürchte sich vor den Milwaukee Bucks, berührte die Realität ähnlich schüchtern wie die Geschichte von Marathonmann Khris Middleton. "Wenn ich die Glas-halb-voll-Argumentation beginne", erzählt ESPN-Journalist Zach Lowe im Bill Simmons Podcast, "Coaches, Front-Office-Leute-Agenten… niemand glaubt es. Bei der Hälfte stoppen mich alle. […] Ich höre nur: 'Sie sind zu alt.' 'Diese Version wird nicht funktionieren.' Das Ausmaß an Pessimismus überrascht mich komplett."
Gleichzeitig versteht Lowe. Im Podcast bespricht er mit Simmons Teams, die ihnen am meisten Sorgen bereiten. Lowe möchte direkt über die Bucks reden. Und tatsächlich entbehrt eine gewisse Skepsis nicht jeglicher Grundlage. Dass Milwaukee in den vergangen Playoffs bereits in Runde eins zum Abschied winkte, lässt sich angesichts der Verletzungsproblematik noch plausibel erklären, ohne die Zukunft gleich komplett in tristes Schwarz zu hüllen. Giannis Antetokounmpo verpasste die Serie gegen die Pacers komplett, Damian Lillard fehlte teilweise, spielte eigentlich immer angeschlagen.
Andererseits, und spätestens an dieser Stelle beginnen die Probleme, sollte sich in Milwaukee zur vergangenen Saison alles ändern. Der Championship-Kern versprach offenbar nicht mehr genügend Entwicklungspotenzial. Auch für Lowe: "Ich denke, offensiv hatte das Team sein Maximum erreicht." Tatsächlich stießen die Bucks gerade in den Playoffs immer wieder vor dieselben Probleme. Wurde es eng, sah es, so plump es klingt, häufig nach "Reh im Schweinwerferlicht" aus. Genau das sollte Lillard ändern.
Nun engagierten die Bucks mit Adrian Griffin gleichzeitig einen Rookie-Headcoach, ersetzten ihn später durch Doc Rivers. Khris Middleton plagten weiter Verletzungen. Alternativen gab es wenig. Im Lillard-Trade trennten sich die Bucks von ihren letzten Picks. Dazu dummerweise von Jrue Holiday. Nicht, weil Lillard der schlechtere Spieler wäre - die Arbeitsprofile unterscheiden sich schlicht -, vor allem, weil Holiday bei den Celtics landete.
Vieles lief schief - und gerade deshalb lohnt sich ein Blick auf die Glas-halb-voll-Argumentation. Denn am Ende war die Saison 2023/24 trotz des fortschreitenden Alters des Teams vielleicht eher Ausreißer nach unten als Norm. Gut, dass Lillard und Giannis an der Oberfläche nie diese Chemie fanden, die viele nach dem Trade erwarteten, bleibt bestehen. Dafür gibt es Gründe. Beispielsweise legte Lillard aus Angst, sich vor einem möglichen Trade zu verletzen, im Sommer 2023 eine Trainingspause ein. Das dürfte sich nun ändern. Zumal Dame weiß, auf wen er sich kommende Saison einzustellen hat. Ein Jahr lang sahen er und Giannis, was funktioniert und wo noch Bedarf ist. So lässt sich arbeiten, wovon eventuell auch der Dreier profitiert.
Vergangene Saison traf Lillard von draußen nur 35,4 Prozent. Über seine Karriere liegt sein Schnitt bei 37,1 Prozent. Nun gibt es bei kleinen Guards, die ein gewisses Alter erreicht haben, die Angst, sie befänden sich auf der Einbahnstraße Richtung "Wir waren mal Stars"-Lane. Andererseits sprechen wir Schützen gern zu, dass sie ihr Wurf auch in den Spätherbst ihrer Karriere begleiten sollte. Entsprechend berechtigt ist die Hoffnung, dass Lillards Dreier kommende Saison verlässlicher fällt.
Dazu bleibt Giannis schlicht Giannis: einer der mindestens fünf, wahrscheinlich sogar drei besten Spieler der Liga. Das allein eröffnet Chancen. Erstrecht, wenn mit Lillard einer der besten Offensiv-Guards der letzten Jahre an seiner Seite steht. Dass Dames Shooting Platz für Giannis schaffen dürfte, sollte, müsste, gilt daher weiterhin.
Bliebe das Pick and Roll. Nach dem Trade liefen vor dem inneren Auge schon Spielfilme eines Richtung Ring rollenden, fliegenden, wenig später stopfenden Giannis ab. Oder Kurzsequenzen von einem einsamen Lillard an der Dreierlinie, weil Defender Giannis vom einfachen Scoring am Ring abhalten wollen. All das sollte regelmäßig passieren - und spielte sich am Ende doch seltener ab als gedacht.
Zweifel kamen auf. Passt das, was eigentlich perfekt harmonieren sollte, doch nicht so gut zusammen? Eric Nehm (Bucks-Beatwriter bei The Athletic) blickt unter die Oberfläche. Ergebnis: Bereits wenige Millimeter Raum nutzt Dame für den schnellen Dreier. Gerade diesen Platz verschafft ihm im Pick and Roll Giannis. Am Ende macht Antetokounmpo also vielleicht nicht mehr, als den Block zu stellen. Unspektakulär, unauffällig, dennoch gewinnbringend. Ebenso, wenn beide Verteidiger Lillard trappen, der Pass auf Giannis folgt und die Defense aushilft. Plötzlich sind Schützen in der Ecke frei. Ein guter Wurf entsteht - ganz ohne krachenden Slam und Kuscheltier-Mean-Mug.
Funktioniert hat alles also durchaus. Gleichzeitig gibt es Raum für Verbesserung. Was auch an mangelnder Konstanz lag. Zu viel passierte vergangene Saison. Zu häufig fehlten wichtige Spieler verletzt. Dazu der Coaching-Wechsel. Die Bilanz verbesserte sich unter Doc Rivers nicht wirklich. Dafür stabilisierte er die Defense. Gerade in Transition. Das fortzuführen, wird entscheiden, ob die Bucks am Ende tatsächlich im Contenderkreis auftauchen oder sich von Cleveland, Orlando und/oder Indiana überholen lassen müssen.
Dazu kommt die Gesundheit. Dass Giannis im Grunde die letzten beiden Playoffs verpasste, darf Milwaukee gern als Warnsignal deuten. Nicht, weil es jetzt nur noch bergab geht. Vielmehr schadet es wohl kaum, sich an die Zeiten des guten alten Coach Bud zu erinnern. In fünf Jahren unter Mike Budenholzer spielte Antetokounmpo im Schnitt 32,3 Minuten, kam auf 65 Spiele. Vergangene Saison waren es in 73 Spielen 35,2 Minuten. Entsprechend dürfen wir spekulieren, ob eine Reduktion Giannis helfen könnte, gesund - oder gesünder - in die Playoffs zu gehen. An einem Mittwoch in Washington sollte es schließlich auch ohne Superstar funktionieren.
Erstrecht, wenn Middleton an die Playoffs anknüpfen kann, während denen er häufig an den Meisterschafts-Middleton erinnerte. 24,7 Punkte legte er auf, garnierte sie mit 9,2 Rebounds sowie 4,7 Assists. Kleiner Dämpfer: In der Offseason musste sich Middleton gleich einer doppelten Knöchel-Operation unterziehen. Bis zum Saisonstart soll er fit sein. Doch wie lange? Immerhin werfen Verletzungen den Swingman bereits seit der Meisterschaft immer wieder zurück. Hält er der Belastung noch stand? Kann er die defensiven Aufgaben ausfüllen, die in einem Lineup mit Lillard und womöglich Gary Trent Jr. auf ihn zukommen? Entscheidende Bausteine für das Ceiling der Bucks.
Gleichzeitig darf Milwaukee durchaus auf neuen Input von außen hoffen. Trotz eines Mangels and Picks, Cap Room und Spielraum holten die Bucks gleich drei frische Gesichter, die das Spiel besser ausbalancieren können. Trent Jr. dürfte Malik Beasleys Rolle übernehmen. Gleichzeitig kreiert er besser aus dem Dribbling, bringt defensiv mehr Länge, zudem ein solides Gespür für den Steal mit. Ein Plus-Verteidiger ist auch der ehemalige Raptor nicht. Neben Lillard ergibt er defensiv dennoch etwas mehr Sinn als Beasley.
Noch klarer wird das Bild mit Delon Wright. Dank seiner Länge und Spannweite sowie seiner Instinkte gilt der Guard als guter Verteidiger, kann sogar den in Milwaukee seit Holiday arg leer gelassenen Point-of-Attack-Part übernehmen. Offensiv traf Wright letzte Saison immerhin gut 36 Prozent seiner Dreier. Wenngleich er nur rund zwei Mal pro Spiel abdrückte.
Taurean Prince eröffnet Rivers wiederum neue Optionen auf dem Flügel. Eventuell ermöglicht er sogar eine häufigere Rückkehr des während des Championship-Runs so gern genommenen Lineups mit Giannis auf der Fünf. Damals flankierten PJ Tucker und Pat Connaughton Antetokounmpo. Prince könnte einen Part übernehmen. Bucks-GM Jon Horst beschrieb ihn nach der Verpflichtung als "großen Wing", der "harte Matchups, von der Zwei bis zur Vier extrem effektiv" verteidigen könne.
Bei den Lakers spielte Prince vergangene Saison beispielsweise in 289 Possessions als Power Forward neben Center Antony Davis. Auf 100 Possessions gerechnet scorte L.A. dabei 126,3 Punkte, erlaubte nur 103,4 Punkte. Beides taugt für die Elite. Ebenso eine Defensiv-Rebound-Quote von 83,6 Prozent. Da Prince auf der Vier zuvor nicht als sicherer Rebounder aufgefallen war, ein entscheidender Fakt. Gleichzeitig gilt: Was an Davis’ Seite funktioniert, könnte auch neben Giannis klappen. Gleich sind beide nicht. Ähnlichkeiten gibt es dennoch.
Tief sind die Bucks zwar weiter nicht. Gleichzeitig geben ihnen die Neuen zusätzliche Optionen. Gerade wenn Pat Connaughton seinen Dreier wiederfindet und statt der 34,5 Prozent aus der vergangenen Saison wieder in Richtung des Meisterschaftsruns kommt (37,1 Prozent). Sicher? Keinesfalls. Möglich? Durchaus.
Ein wenig gilt das für die komplette Wetteraussicht rund um Milwaukee. Große Versprechen sind für den Moment nicht angebracht. Die Bedenken rund um die Liga finden Berechtigung. Gleichzeitig kann es auch wunderbar funktionieren. Greift die Defense halbwegs - Brook Lopez (bis jetzt skandalöserweise nicht erwähnt) als Hub eines nicht zu aggressiven Systems neben Giannis bildet weiterhin ein solides Fundament -, finden Giannis und Dame noch mehr Harmonie, stimmt die Richtung. Die Neuzugänge versprechen keine großen Sprünge, dafür neue Möglichkeiten. Funktionieren muss diese Version der Bucks nicht zwingend. Aber sie kann. Vielleicht muss sich die Liga am Ende positiv überraschen lassen.
# | Spieler | Position | Größe | Jahrgang | Nationalität |
---|---|---|---|---|---|
0 | Damian Lillard | Guard | 1,88 | 1990 | USA |
3 | MarJon Beauchamp | Forward | 2,01 | 2000 | AUS |
5 | Gary Trent Jr. | Guard | 1,96 | 1999 | USA |
7 | Chris Livingston | Forward | 1,98 | 2003 | USA |
9 | Bobby Portis | Center | 2,08 | 1995 | USA |
11 | Brook Lopez | Center | 2,16 | 1988 | USA |
12 | Taurean Prince | Forward | 1,98 | 1994 | USA |
15 | Tyler Smith | Forward | 2,11 | 2004 | USA |
20 | A.J. Green | Guard | 1,93 | 1999 | USA |
22 | Khris Middleton | Forward | 2,01 | 1991 | USA |
24 | Pat Connaughton | Guard | 1,96 | 1993 | USA |
34 | Giannis Antetokounmpo | Forward | 2,11 | 1994 | GRE |
44 | Andre Jackson Jr. | Guard | 1,98 | 2001 | USA |
55 | Delon Wright | Guard | 1,96 | 1992 | USA |
77 | A.J. Johnson | Guard | 1,96 | 2004 | USA |
Max Marbeiter