09.01.2025, 18:10
Ex-NBA-Profi Lewis packt aus
Rashard Lewis spielte gut drei Jahre für die Orlando Magic, 2009 erreichte der frühere All-Star mit der Franchise die Finals. Im Interview mit basketball-world.news sprach der Ex-Forward über die Entwicklung des neuen Teams, Franz Wagner und seine erste denkwürdige Begegnung mit Dirk Nowitzki.
Wir treffen Rashard Lewis in einem Hotel in der Münchner Innenstadt. Der 45-Jährige ist noch immer topfit und man merkt es ihm nicht an, dass er seit über zehn Jahren nicht mehr in der NBA spielt. Das liegt auch daran, dass Lewis bis 2023 noch in der Big3, der Liga von Rap-Legende Ice Cube aktiv war - bis die Hüfte zu sehr schmerzte und die Angst eines zweiten Achillessehnenrisses zu groß wurde.
Stattdessen ist der zweimalige All-Star nun Botschafter der Orlando Magic, jenes Team, für das er zwischen 2007 und 2010 spielte. Auch deswegen ist Lewis in München. Er ist Teil der kleinen Magic-Delegation, die eine Watch Party in München veranstaltet. In Zukunft könnte es mehr solcher Events geben. NBA-Teams dürfen sich im Ausland nun selbst vermarkten und Orlando hat sich dafür - wenig überraschend - den deutschen Markt ausgesucht.
Zu diesem Anlass sprach Lewis mit basketball-world.news über die Zukunft der Magic, die Entwicklung von Franz Wagner, aber auch seine eigene Karriere in Orlando sowie die Zeit mit der Big Three der Magic. Außerdem erinnerte sich Lewis an seine erste Begegnung mit Dirk Nowitzki, die aus Sicht des Forwards nicht ganz so erfreulich war.
Mr. Lewis, nach ihrem Ausstieg aus der Big3-Liga von Ice Cube sind Sie unter anderem Botschafter der Orlando Magic. Was halten Sie denn von Ihrem Ex-Team?
Rashard Lewis: Das Team ist wirklich gut, selbst mit all den Verletzungen. Daran sieht man, wie gut diese Mannschaft gecoacht wird. Coach Mosley holt das Beste aus ihnen heraus und vielleicht hat es sogar etwas Gutes, dass die Verletzungen von Paolo, Franz und Moritz passiert sind. Wenn sie zurückkommen, haben die anderen mehr gespielt und sich so verbessert. Fügst du dann mit Banchero und Franz Wagner wieder zwei All-Stars hinzu, dann ist das schon richtig stark.
Gerade Franz Wagner hatte vor seiner Verletzung einen riesigen Sprung gemacht. Hatten Sie das so kommen sehen?
Nicht wirklich. Bei Olympia hat er gut und auch Deutschland allgemein sehr gut gespielt. Aber sein Wurf war einfach weg und ich hatte Zweifel, weil das nicht das erste Mal war. In den großen Momenten hatte er auch noch nicht geliefert, aber wenn ich diese Saison sehe, dann ist das ein Unterschied wie Tag und Nacht. Für mich ist er ein klarer All-Star und wenn er Glück hat, wird er trotz seiner Verletzung nominiert.
Um noch einmal kurz auf Olympia zurückzukommen. In Deutschland sahen einige Fans und auch das Team nach zwei Medaillen am Stück Platz vier sogar als Enttäuschung, auch weil Frankreich in der Vorrunde so deutlich geschlagen wurde.
Wirklich? So ist Basketball manchmal. Die bessere Mannschaft gewinnt nicht immer, oft ist das Kopfsache. Gerade bei jungen Spielern passiert das. Deutschland war für mich das zweitbeste Team im Turnier und sind jetzt zwei Jahre in Folge den USA auf Augenhöhe begegnet. 2028 in Los Angeles habe ich Deutschland wieder auf der Rechnung.
Stehen auch die Magic im Kampf um den Titel in diesem Jahr auf Ihrem Zettel oder fehlt womöglich doch noch ein Guard?
Dieses Team definiert sich über Defense und die ist großartig. Ob noch ein Guard fehlt? Ich bin mir nicht sicher. Kentavious Caldwell-Pope macht das Team mit seinem Wurf viel gefährlicher. Das Talent ist da, um früher oder später Champion zu werden, aber sie müssen ihre Erfahrungen machen. Die Serie gegen Cleveland im Vorjahr war sehr wichtig, da haben sie sich bewiesen und hart gekämpft. Klar war nicht alles perfekt, aber für diese Truppe war es das erste Mal in den Playoffs. Hoffentlich schaffen sie es bald mal in die Finals, es erinnert mich ein wenig an meine aktive Zeit in Orlando. Es ist ein junges Team mit einem sehr guten Coach und einer tollen Teamchemie.
Was für einen Typ würden Sie denn holen?
Für die absolute Spitze fehlt vermutlich noch jemand, der den jungen Spielern helfen kann. Vielleicht passiert was zur Trade-Deadline, vielleicht erst im Sommer. Stand jetzt sind sie aber schon sehr weit. Wenn jemand ausfällt, kommt eben der Nächste rein und macht seine Sache gut. Daran sieht man auch die Qualität von Coach Mosley, der die Jungs wirklich super einstellt.
Ein anderes Thema ist, ob Wagner und Banchero die erste und zweite Option eines Championship-Teams sein können. Wie sehen Sie das?
Für mich steht das außer Frage. Vor allem Paolo ist schon jetzt ein echtes Matchup-Problem, der offensiv fast alles beherrscht und verteidigen kann. Das Gleiche gilt auch für Franz. Die beiden sind All-Stars, die ein Team tief in die Playoffs führen können.
Sind die Celtics hier das Vorbild? Auch sie haben mit Jayson Tatum und Jaylen Brown zwei Forwards gedraftet und dann darum ihr Team gebaut.
Genau. Boston hatte auch seine Höhen und Tiefen, haben aber den beiden vertraut und Stück für Stück einen Champion gebaut. Dieses Team ist über mehrere Jahre entstanden und das merkt man. In Orlando ist es ähnlich, zum Beispiel ist Caldwell-Pope wieder ein weiteres Teil in diesem Puzzle. Er hilft nicht nur sportlich, sondern mit seiner Erfahrung. Ein weiterer Anführer wäre gut.
Können Banchero und Wagner das nicht sein?
Aus meiner Sicht sind beide gute Leader, auch das betont Mosley immer wieder. Sie sind noch jung und lernen, was es heißt, ein All-Star zu sein. Die Magic sind vielleicht einen Spieler entfernt, um ein echter Titelanwärter zu sein. Das kann ein explosiver Guard oder einfach nur ein grundsolider Spielmacher sein, der Franz ein paar Pausen beschert. Franz könnte dann mehr auf dem Flügel spielen. Er ist sehr gut als Spielmacher, aber mit seiner Größe, seinem Handling und seinen Drives ist er als Forward ein noch besserer Spieler. Es wäre gut, wenn man ein wenig den Druck von ihm nehmen könnte. Ein weiterer Center würde auch nicht schaden, weil man im Osten natürlich eine Antwort auf Joel Embiid braucht. Gegen Boston sah Orlando dagegen immer sehr gut aus und ich glaube wirklich, dass Orlando mit dieser Besetzung unter den ersten Drei landen kann. Es wird schwer, weil die Konkurrenz mit Boston, Cleveland, Milwaukee, Philadelphia oder New York groß ist. Aber es ist möglich. Dass sie mithalten können, hat bereits die Serie gegen Cleveland gezeigt.
Während ihrer Zeit in Orlando gab es 2009 auch eine Serie gegen die Cavs um LeBron James. Sie setzten sich damals durch, erst in den Finals war gegen die Lakers Schluss. Woran erinnern Sie sich aus dieser Zeit am liebsten?
Die Conference Finals gegen Cleveland. Klar, die Serie davor gegen Boston war auch toll, aber sie haben als Champion ohne Kevin Garnett gespielt. Cleveland war damals das beste Team der Liga und ich erinnere mich nur zu gut an das erste Spiel. Sie haben uns zu Beginn komplett überrollt, die Halle war ein echter Hexenkessel und wir waren wie das Reh auf der Straße, dass plötzlich die Autolichter sah. Aber wir haben uns gefangen, waren zur Pause wieder im Spiel und ich habe dann den Gamewinner getroffen. Das war Wahnsinn. Wir hatten damals nichts zu verlieren und haben es dann in sechs Spielen geschafft. Auch da habe ich einen Gamewinner getroffen.
Und damit haben Sie auch das Traumfinale der NBA zerstört …
Während der Saison gab es diese LeBron/Kobe-Werbung mit den Muppets. Das war das Matchup, was alle sehen wollten, aber wir haben es ihnen versaut. Das verstehe ich auch. Wer hätte nicht gerne Kobe gegen LeBron in den Finals gesehen? Wir haben das als Motivation genommen und das hat uns die Playoffs angetrieben.
In den Finals unterlagen sie mit 1-4, doch die Serie war deutlich knapper, als es im Nachhinein wirkt.
Für uns war das Neuland und die Lakers waren sofort da. In Spiel 2 sind wir angekommen und haben erst nach Verlängerung verloren. Der Knackpunkt war aber Spiel 4. Derek Fisher hatte das ganze Spiel nichts getroffen und versenkte einen wilden Dreier, der die Lakers in die Verlängerung rettete. So stand es plötzlich 3-1 statt 2-2 und davon konnten wir uns nicht erholen. Dieser Fisher-Dreier hat damals alles verändert.
Team | Saison | Spiele | PPG | RPG |
---|---|---|---|---|
Seattle SuperSonics | 1998 - 2007 | 617 | 16,6 | 5,8 |
Orlando Magic | 2007 - 2011 | 257 | 16,3 | 5,1 |
Washington Wizards | 2011 - 2012 | 60 | 9,7 | 4,9 |
Miami Heat | 2012 - 2014 | 115 | 4,8 | 2,0 |
Haben Sie manchmal das Gefühl, dass ihre Magic-Teams in der Geschichte ein wenig vergessen werden? Sie hatten damals mit Dwight Howard den besten Center der Liga und rundherum jede Menge Schützen.
Wir haben schon sehr ähnlich gespielt, wie heute die besten Teams aufgestellt sind. Türkoglu war ein Albtraum-Matchup, weil er als Forward unser Spielmacher war, dazu hatten wir mit Jameer Nelson, J.J. Redick, Courtney Lee und mir viele gute Schützen. Das war ein tolles Team mit einem exzellenten Coach in Stan Van Gundy. Er hat alles zusammengehalten und da möchte ich auch wieder die Parallele zu der aktuellen Mannschaft ziehen. Wir waren im Sommer oft zusammen und auch diese Mannschaft arbeitet viel, um eine Einheit zu werden. Dies dauert, aber man sieht auf dem Feld, dass das eine große Familie ist.
Sie würden auch gut in die heutige Zeit hereinpassen. Denken Sie manchmal darüber nach, dass Sie vielleicht 10-15 Jahre zu früh in die NBA gekommen sind?
Ich war meiner Zeit ein wenig voraus. So wie ich damals gespielt habe, machen sie es heute. Wenn ich vier Dreier pro Spiel nahm, stach das heraus, aber heutzutage haben viele Spieler das schon nach einem Viertel gemacht. Oft sind es zehn oder mehr pro Spiel und wenn ich das hätte machen dürfen, hätte ich vielleicht 30 Punkte pro Spiel aufgelegt.
Sie wurden 1998 gedraftet - wie auch Dirk Nowitzki. Vor dem Draft machten Sie mit Dirk schon Bekanntschaft beim Hoop Summit. Erzählen Sie doch mal.
Er hat uns absolut gekillt (lacht). Bei USA gegen die Welt gewannen eigentlich immer wir, aber Dirk hat das im Alleingang verhindert. Ich habe ihn damals zum ersten Mal gesehen und hatte keine Ahnung, wer das war. Keiner konnte ihn verteidigen, ich glaube, er hat im Alleingang fünf Spieler ausgefoult. Er war so groß und gleichzeitig auch flink. Wir hatten keine Mittel, ihn zu stoppen. Am Anfang haben wir unseren Center gegen ihn gestellt, später haben wir es mit kleineren Spielern versucht. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah. Der war groß wie ein Center, hat aber den Point Guard gegeben und konnte Dreier werfen. Seit diesem Tag war er einer meiner absoluten Lieblingsspieler.
Haben Sie Nowitzki als eine Art Maßstab genommen? Sie waren schließlich beide große Forwards, die vor allem über den Wurf kamen.
Nicht wirklich, weil ich mich nie als großer Spieler gesehen habe. Ich war auf der Highschool vor allem ein Schütze und hatte dann plötzlich noch einen Wachstumsschub. Dann haben sie mich auf die Fünf gestellt, aber eigentlich wollte ich lieber werfen. Ich habe es in der Zone gehasst, weil es so langweilig war. Ich wollte wie ein Guard sein, der dribbelt und wirft. Deswegen habe ich da weiter dran gearbeitet, auch weil es in der NBA wichtiger war.
Am Ende Ihrer Karriere waren Sie noch in Miami, wo es dann noch mit dem Ring geklappt hat.
Eigentlich wollte ich 2012 nach Atlanta gehen, aber dann hat mich Ray Allen angerufen, mit dem ich seit unserer gemeinsamen Zeit in Seattle gut befreundet bin. Er fragte mich, was ich denn in Atlanta wolle? Ich solle schnell nach Miami fliegen, er würde dort auch unterschreiben. Da war mir klar, dass ich keine bessere Gelegenheit mehr auf einen Ring kriegen würde. LeBron, Dwyane Wade, Christ Bosh und nun auch noch Allen? Unglaublich. Dafür bin ich Ray dankbar - und natürlich auch für seinen Dreier gegen San Antonio in den Finals 2013, weil ich sonst keinen Ring gewonnen hätte. Danke Ray.
In diese Zeit fällt auch die zweitlängste Siegesserie aller Zeiten. 27 Spiele in Folge gewannen die Heat. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Das war kaum zu fassen. Während der Saison holten wir "Birdman" Chris Anderson und danach waren wir nicht mehr zu stoppen. Er wollte nur Rebounds holen und verteidigen, genau das haben wir gebraucht. Er hat mit seiner Energie das Team zum Guten verändert. Wir wurden in der Zeit die "Heatles" genannt in Anlehnung an die Beatles, weil wir überall wie Rockstars empfangen wurden. Im Hotel, beim Bus oder in der Arena - überall warteten die Fans. Für mich war das wie ein Traum. Ich spielte mit vier Hall of Famern, durfte in Miami leben und spielte beim besten Team der Liga.
Und doch hing letztlich alles an diesem einen Wurf …
Ich werde das nie vergessen. Ich sitze da auf der Bank und wir sind dabei, diese unfassbare Saison in die Tonne zu werfen. Plötzlich kommen Leute in die Halle mit Absperrbändern und Kisten, um die Siegerehrung der Spurs vorzubereiten. Wir sagten uns: 'Das kann doch nicht wahr sein.' Ray hat uns damals gerettet und in seinem Jubel all den Sicherheitskräften zugeschrien, dass sie wieder einpacken können. Viele Fans hatten die Arena auch schon verlassen und durften nicht wieder rein. Wir gewannen nach Verlängerung und Spiel 7 war dann für uns keine echte Herausforderung mehr. Da hatten wir alles unter Kontrolle.
Abschließend: Sie haben drei Kinder, zwei davon spielen auch Basketball. Woran liegt es, dass es weiterhin keine echten Nachfolger für die Generation LeBron/Curry/Durant gibt und der Großteil der besten Spieler inzwischen aus dem Ausland kommt?
AAU hat alles verwässert und dann gibt es noch die Eltern, die sich über die Kinder ihre eigenen Träume verwirklichen wollen. Die Kinder lernen nicht mehr, wie man das Spiel richtig spielt. Die Grundlagen werden nicht mehr beigebracht, wie das in Europa der Fall ist. Es geht nur noch um Highlights und wer wie auf Social Media viral gehen kann. Die Kids ballern nur noch auf dem Korb. Womöglich hat Steph Curry so eine ganze Generation ruiniert (lacht). Nur die wenigsten können aber wie Curry spielen. In Europa werden die Spieler schneller Profis, sie müssen um ihre Spielzeit kämpfen und wenn sie nicht das richtige Play machen, sitzen sie eben auf der Bank. Ich habe auch das Gefühl, dass die Schützen besser ausgebildet werden, was auch daran liegt, dass es in den Verbänden klare Strukturen gibt. Es ist kein Zufall, dass der Großteil der Superstars der NBA inzwischen Europäer sind. Doncic, Giannis, Jokic sind da nur die Spitze des Eisbergs. Wir brauchen da ja nur zu den Magic mit vier Europäern zu schauen. Selbst Tristan da Silva hat sich als Rookie einen Platz erkämpft und mehr Verantwortung übernommen, als es nach den Verletzungen von ihm gebraucht wurde. Das spricht alles für eine gute Ausbildung, die er in jungen Jahren genossen hat, auch wenn er natürlich in den USA vier Jahre auf dem College gespielt hat.
Interview: Robert Arndt