13.09.2024, 09:00
Dubs stellen sich neu auf
Klay Thompson zog nach Dallas, der ganz große Trade kam nicht zustande, dafür verlängerte Stephen Curry. Wie sieht es nun aus bei den Warriors? Weshalb sind die Jungen plötzlich so wichtig? Wer macht Hoffnungen - und wie versteht Curry die Situation?
Nicht, dass es die Warriors nicht versucht hätten. Sie klopften bei Paul George an, wollten die Utah Jazz und Danny Ainge überzeugen, dass man nicht immer alles und noch ein bisschen mehr haben muss, um am Ende glücklich zu sein. Geklappt hat nichts. Die Clippers wollten George nicht an einen Konkurrenten aus der eigenen Conference verlieren. Lauri Markkanen verlängerte bei den Jazz. Die Wahrscheinlichkeit, den Finnen zu verpflichten, war am Ende wohl ähnlich hoch, wie einen der besten Scorer aller Zeiten mit den beiden vielleicht besten Shootern der Geschichte und einem All-Time-Defender zu vereinen. Während ihrer Prime. Wahrscheinlich versuchten die Warriors es genau deshalb. Nur diesmal eben erfolglos.
Dass Golden State überhaupt erst den ganz großen Sprung anpeilte, lag einerseits am nicht einkalkulierten Play-in-Aus. Andererseits am Abgang Klay Thompsons. Auch wenn er nach Achillessehnen- und Kreuzbandriss nicht mehr Game-6-Klay war, es brach doch eine der drei Dynastie-Säulen weg. Ein maximales Indiz einer Neuorientierung.
Immer offensichtlicher wurde, dass Thompson nicht mehr sein konnte, was die Warriors brauchen: ein verlässlicher 20-Punkte-Scorer, der das Netz rund um Curry etwas aufknöpfen, Steph zudem Scoringlast abnehmen kann. Darin könnte (unter anderem) der Unterschied zwischen Golden State, Play-in-Team mit Playoff-Hoffnungen, und Golden State, Playoff-Team mit Heimvorteil, liegen.
Vorläufig muss Curry ohne diesen Partner auskommen. Ein kapitaler Sturm entlädt sich deshalb aber nicht über der Bay. Trotz des Mangels an prominenter Verstärkung verlängerte Curry seinen Vertrag um ein Jahr. 62,6 Millionen kassiert er in der Saison 26/27 und steht damit fest für drei weitere Jahre unter Vertrag.
Dabei hätte Curry auch bis zum nächsten Sommer warten können. So wären sogar zwei Jahre obendrauf, sprich, noch mehr Geld möglich gewesen. Zeitgleich hätten die Warriors einer Offseason entgegen blickt, in der ihre Franchise-Legende nur noch ein weiteres Jahr unter Vertrag gestanden hätte. Die First-Take-Armada rieb sich bereits die Hände. Vergeblich.
Gleichzeitig ist Curry Ende seines neuen Vertrags nun ein Jahr jünger als er es bei einer Zweijahresverlängerung gewesen wäre. Curry könnte, sollten die Warriors gewisse Standards nicht erfüllen, noch einmal den Markt testen. "Es geht immer noch ums Gewinnen und darum, die notwendigen Schritte zu gehen, um uns eine Chance zu geben", sagte er nach seiner Unterschrift. "Dieser Standard hat sich nicht geändert. Die Erwartungshaltung hat sich nicht verändert."
Das muss nicht heißen, dass Curry nur für einen Contender spielen will. Er möchte vor allem für ein Team spielen, das alles versucht, die bestmögliche Siegchance zu schaffen. Auch wenn einmal nicht alles klappt. Curry-Biograph Marcus Thompson II (The Athletic) interpretiert daher, Steph verspräche nun Geduld und erhöhe gleichzeitig den Druck. Zudem sei es ein Vertrauensbeweis an Mike Dunleavy Jr., Golden States neuen GM.
Am Ende, so Curry zu The Athletic, "weißt du die Position, die Chance und die Unterstützung der Menschen, die dich auf deiner Reise begleitet haben, zu schätzen. Ich habe immer gesagt, dass ich meine gesamte Karriere für ein einziges Team spielen will. Deshalb ist es gut die (Verlängerungs-)Frage aus dem Weg zu haben und den Fokus ganz auf Basketball und die Saison zu richten."
Dass sich gegnerische Defenses auch in Jahr 16 auf einen Mix aus gelenkter Rastlosigkeit und gelebter Gnadenlosigkeit einstellen dürfen, lässt Olympia erahnen. Größere Fragezeichen bilden sich um Curry herum. Gelingt es Andrew Wiggins, wieder halbwegs an die Meisterschafts-Playoffs anzuknüpfen? Zähmt Draymond Green seine Emotionen so weit, dass er nicht erneut 27 Spiele zusehen muss? Findet sich das Neuzugangs-Trio um Kyle Anderson, De’Anthony Melton und Buddy Hield so zusammen, dass es Klay im Kollektiv ersetzen kann?
Talent in der Spitze kam nicht hinzu. Qualitäten bringen die Drei dennoch mit. Hields Wurf zählt zu den besten der Liga. Aber kann er so solide verteidigen, dass er auch in engen Spielen auf dem Feld bleiben kann? Kyle Andersons Länge und Defense dürften dem kleinen Team ebenfalls helfen. Dazu kommt sein Passing. Dass sein Wurf in etwa so viel Zeit benötigt wie San Franciscos Cable Cars von Start bis Endstation, könnte wiederum Probleme verursachen. Als giftiger Guard mit solidem Wurf passt Melton bestens ins Konzept. Sofern er gesund bleibt.
Ohne großen Homerun haben die Warriors mehr Tiefe geschaffen. Coach Steve Kerr stehen mehr Optionen zur Verfügung. Ein Metrik-Modell eines anderen Teams sieht Golden State laut The Athletic im Westen sogar an Vier. Es wäre ein riesiger, wohl auch überraschender Sprung. Viel hängt dabei an der Entwicklung der Jungen.
Vieles beginnt dabei mit Jonathan Kuminga. Als siebter Pick im Jahr 2021 sollte er die Zukunft der Warriors sein, müsste langsam aber auch die Gegenwart prägen. Vergangene Saison griff sich Kuminga mehr Rebounds, traf nach dem Drive klarere Entscheidungen. Gleichzeitig bleibt in beiden Kategorien deutlich Raum für Verbesserungen. Seine Athletik, seine Explosivität beim Drive steht der Warriors-Offense dennoch gut. Viele Alternativen gibt es schlicht nicht. Das Shooting- und damit Spacing-Problem (gerade im Verbund mit Draymond Green) blieb jedoch.
Für den ungeduldigen Beobachter verläuft die Entwicklung eventuell einen Schritt zu langsam. In einer perfekten Welt träfe Kuminga seinen Dreier in den mittleren bis hohen Dreißigern, spielte nach dem Drive im richtigen Moment den richtigen Kickout auf Curry, Wiggins oder Moody. Dass er an diesem Punkt noch nicht angelangt ist, heißt nicht, dass er ihm niemals nahe kommen wird. Eventuell folgt demnächst der entscheidende Sprung.
Ähnlich wie bei Moody, der es trotz solider Leistungen immer wieder schwer hat, konstanter Teil der Rotation zu bleiben. Vieles macht er gut bis sehr gut (verteidigen, bewegen, smart spielen, werfen), hat auch immer wieder einen positiven Einfluss auf das Spiel. Ein guter Rotationsspieler sollte er daher sein. Trayce Jackson-Davis wird vielleicht sogar mehr: ein agiler, smarter Big, der hart zum Ring rollen und verteidigen kann.
Besonders groß ist die Hoffnung in Brandin Podziemski. Rund um die Trade-Gerüchte um Markkanen habe ihm Chairman Joe Lacob von einem Abendessen mit seinem Jazz-Kollegen Ryan Smith erzählt. "Er sagte mir: 'Du musst dir absolut keine Sorgen machen. Du genießt hier Priorität'", fasst Podziemski die Aussagen bei The Athletic zusammen.
Natürlich lässt sich spekulieren, ob eine Franchise nicht alles unternehmen sollte, um einen Spieler wie Markkanen zu bekommen. Natürlich lässt sich fragen, weshalb ein 17. Pick und Rollenspieler gewissermaßen einen solchen Trade verhindert. Gleichzeitig übertraf Podziemski in seiner Rookie-Saison alle Erwartungen. Er spielte Winning Basketball, war Golden States Plus-Minus-Leader. Als Guard reboundet er zudem exzellent und hat das Gespür, regelmäßig Offensivfouls anzunehmen.
Beim Select-Team während der Olympia-Vorbereitung von Team USA war Podziemski sogar Cooper Flaggs favorisierter Mitspieler. Er spiele "mit so großartiger Pace, auf die richtige Art", sagte der wohl kommende Nummer-1-Pick. Diese "richtige Art" könnte dem Sophomore nun endgültig Thompsons Platz in der ersten Fünf bringen.
Entscheidend ist natürlich das Shooting. Gemeinsam mit Kerr und Dunleavy vereinbarte Podziemski daher, seine Dreierrate von bislang 3,2 Versuchen pro Spiel (bei 38,5 Prozent) deutlich zu steigern. "Sie wollen, dass ich zwischen acht und zehn nehme", sagte er. "Alle Arten: nach Dribble-Handoffs, Off-Ball-Screens, aus dem Catch-and-Shoot." Letzte Saison habe er mögliche Würfe noch zu oft liegen gelassen. Gleichzeitig bleibt die Anzahl ambitioniert. Vergangene Saison nahmen nur zehn Spieler acht oder mehr Dreier. Mehr als neun trauten sich lediglich Curry, Luka Doncic und eben Thompson zu.
Um dessen ursprüngliche Rolle wirklich ausfüllen zu können, möchte Podziemski zudem die Defense verbessern. Beim Select-Team Curry und Jrue Holiday verteidigen zu müssen, habe ihm dabei geholfen. Mittlerweile habe er mehr Vertrauen in seine defensiven Fähigkeiten. Er fühle sich sicherer, seinen Gegenspieler vor sich halten zu können.
Erfüllt Podziemski Hoffnungen und Versprechen, haben die Warriors am Ende vielleicht mehr, als es derzeit scheint. Gleiches gilt für Kuminga, Moody und Trayce Jackson-Davis. Der Konkurrenz voraus ist Golden State zwar längst nicht mehr. Tatsächlich fehlt derzeit sogar der klare Weg zurück in die Elite. Gleichzeitig hat der Champ von 2022 junges Talent, das die Reise beschleunigen könnte - und wer weiß, welche Trade-Optionen sich im Laufe der Saison auftun. Wichtig ist, nicht zuletzt für Curry, dass die Warriors weiter alles versuchen, um das Maximum herauszuholen.
Max Marbeiter