25.07.2024, 09:40
Beim Basketball ist noch Luft nach oben
Die Premierensaison des Streaming-Dienstes Dyn von Ex-Bundesliga-Chef Christian Seifert ist in den Büchern. Was lief gut? Was könnte besser werden? Zeit für ein Zwischenfazit.
Am 23. August 2023 erblickte Dyn mit der Übertragung des Handball Supercups erstmals so richtig das Licht der Sportwelt. Seitdem liefen in der Premierensaison 2023/24 über 2.500 Live-Spiele auf der Streaming-Plattform. Im Fokus dabei fünf Sportarten abseits des Fußballs: Basketball, Handball, Hockey, Tischtennis und Volleyball. Die genannten Sportarten, respektive ihre Ligen, haben zum Teil langfristige Exklusiv-Verträge mit Dyn geschlossen, allen voran die Daikin Handball-Bundesliga (HBL) und die easycredit BBL, deren Vereinbarungen bis zum Ende der Saison 2028/29 gelten. Die Volleyball-Bundesliga verlängerte ihren Kontrakt derweil jüngst bis einschließlich der Spielzeit 2027/28.
Wie es bei einem gänzlich neuen Produkt so üblich ist, brennt vielen Marktteilnehmern nun besonders eine Frage unter den Nägeln: War die erste Saison von Dyn ein Erfolg oder nicht?
Die härteste Währung bei der Beantwortung dieser Frage ist zweifelsohne die Anzahl der Abonnenten. Doch dazu schweigt sich die von Ex-DFL-Chef Christian Seifert ins Leben gerufene Streaming-Plattform bisher aus. Auch Andreas Heyden, CEO von Dyn Media, antwortet im aktuellen Exklusiv-Interview mit dem kicker eher ausweichend. Er sagt: "Eine konkrete Zahl werde ich hier nicht nennen, aber wir sind durchaus zufrieden." Ohnehin starte er "lieber mit einem guten Produkt und einer aktiven sowie zufriedenen Kundschaft, als mit vielen Abonnenten, die ich über Lockangebote reinhole und dann möglicherweise nach einer Saison wieder verliere". Darüber hinaus seien für Dyn im ersten Jahr Engagement-Raten wichtiger als die absolute Nutzerzahl gewesen, sprich: Wie viele Nutzer waren in den vergangenen Tagen aktiv? Wie viele Stunden schauen Sie im Durchschnitt? "Da sind unsere Zahlen sehr gut", sagt Heyden.
Es gibt derweil einige Indizien dafür, dass die Abonnentenzahl von Dyn nach der ersten Saison zumindest noch sehr weit weg von dem theoretischen Potenzial der rund 17 Millionen Sportfans, die sich hierzulande laut "Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse" (AWA) "ganz besonders" für die fünf Dyn-Sportarten abseits des Fußballs interessieren. Selbstverständlich werden Seifert, Heyden & Co. diese gut 17 Millionen Menschen in ihren Businessplänen nicht als zu erreichende Abonnenten-Zahl niedergeschrieben haben. Das wäre schlichtweg unrealistisch.
Nach Recherchen des kicker dürfte die Plattform derzeit eine niedrige sechsstellige Subscriber-Zahl im Korridor von 100.000 bis 300.000 haben. Dazu passt die Information von Dyn, dass Spitzenspiele "nach wenigen Monaten von mehr als 100.000 Zuschauern gesehen" wurden. Mit 115.000 Streams erzielte dabei die HBL-Begegnung zwischen dem THW Kiel und dem SC Magdeburg am 7. Februar 2024 die höchste Zuschauerquote. Wie im Markt zu hören ist, ist Handball generell die bis dato mit Abstand zuschauerstärkste Sportart im Dyn-Kosmos. "In Kooperation mit ARD, ZDF und Welt TV mit Bild Sport betrug die TV-Reichweite für Dyn-Inhalte fast 500 Millionen Zuschauer", teilt die Plattform, deren Mehrheitseigner Axel Springer ist, zudem mit.
Statt der Zahl der Abonnenten stellt Dyn zur Bewertung der Premierensaison andere Kennzahlen in den Vordergrund. Dazu zählen zum Beispiel Social-Media-Aktivitäten. Ein Teil des Dyn-Konzeptes ist es eigenen Angaben zufolge, "vor allem in den sozialen Netzwerken für mehr Reichweite zu sorgen und dadurch auch jüngere Zielgruppen an den Sport zu binden". Über die eigenen Social-Media-Kanäle wie Instagram oder Youtube veröffentlichte Dyn in der vergangenen Saison etwa 24.000 Beiträge. Gemeinsam mit den Kanälen der Partnerligen, Vereine und Medienpartner wurde darüber nach eigenen Angaben eine Reichweite von 800 Millionen Kontakten erzielt.
Auf den ersten Blick etwas überraschend stellt Tischtennis mit 23.900 Abonnenten den stärksten Dyn-Youtube-Account der fünf Sportarten. Über den Kanal "Dyn Tischtennis” wurden bis dato 815 Videos veröffentlicht, die in Summe rund 16,9 Millionen Views generiert haben. Allerdings muss man hierzu einordnen, dass die Spiele der Tischtennis-Bundesliga parallel zu Dyn auch bei Youtube kostenlos live gestreamt wurden, um eine möglichst breite Zielgruppe mit der Sportart in Berührung zu bringen. Dieser Umstand dürfte entsprechend gezogen haben. Einen solchen Anschub hat beispielsweise der Handball nicht mehr nötig. Über den Youtube-Account "Dyn Handball" wurden bis dato 752 Videos veröffentlicht, die in Summe rund 6,4 Millionen Views generiert haben. Die 665 Videos von "Dyn Basketball" kommen auf Youtube derweil auf bisher 1,2 Millionen Views, die Abonnentenzahl des Accounts beträgt 5100. Hier ist also noch Luft nach oben.
Ein zentrales Element der Berichterstattung in Echtzeit ist der sogenannte "Dyn Content Desk". Dieser soll als Austauschplattform für mediale Inhalte zwischen Dyn, den Ligen und ihren Klubs sowie zahlreicher Medienpartner dienen. Seit Saisonstart wurden über den Content Desk dem Vernehmen nach 47.000 Bewegtbild-Inhalte zur Weiterverwertung durch die Klubs und Ligen sowie durch Medienpartner wie Bild, ARD, ZDF, lokale Medienpartner, Sponsoren und auch kicker.tv abgerufen.
Der Content Desk ermögliche den angeschlossenen Ligen und Klubs "völlig neue Möglichkeiten zum Aufbau ihrer Marken, zur Aktivierung der Fan-Basis und Einbindung von Sponsoren", sagt Marcel Wontorra. Dies führe laut dem COO von Dyn "zu deutlich mehr Reichweite und neuen Möglichkeiten der Vermarktung". Denn zahlreiche Sportfans in Deutschland hätten dadurch die Wettbewerbe und Ligen "intensiver als in der Vergangenheit verfolgt und dabei eine engere Bindung zu unseren fünf Sportarten aufgebaut". "Es ist uns gelungen, im Austausch mit den Ligen und Vereinen unser Ziel zu erreichen: Die Wahrnehmung für den Leistungssport in diesen Bereichen zu steigern", sagt Wontorra.
Wie schon vor dem Start zieht Dyn zur Potenzialanalyse der eigenen Streaming-Plattform auch nach der Premierensaison Zahlen der AWA heran. Das Interesse an den fünf Dyn-Sportarten Basketball, Handball, Hockey, Tischtennis und Volleyball sei demzufolge in der ersten Saison nach Sendestart deutlich gestiegen (Untersuchungszeitraum: 16. Juni 2023 bis 14. Februar 2024).
Hatten gemäß AWA 2023 in Summe noch 16,62 Millionen Menschen angegeben, sich für die genannten Sportarten "ganz besonders" zu interessieren, waren es 2024 deren 18,26 Millionen. Besonders beim Handball (2023: 7,35 Mio., 2024: 8,34 Mio.) und beim Basketball (2023: 3,22 Mio., 2024: 3,57 Mio.) seit laut Dyn die Anzahl der "besonders Interessierten" deutlich gestiegen. Aber auch beim Volleyball (2023: 2,35 Mio., 2024: 2,51 Mio.) und beim Tischtennis (2023: 2,75 Mio., 2024: 2,93 Mio.) sei ein deutlicher Anstieg zu sehen. Lediglich beim Hockey ist die Zahl leicht rückläufig (2023: 0,95 Mio., 2024: 0,91 Mio.).
Unterm Strich ziehen die Liga-Verantwortlichen ein durchweg positives Fazit zur Premierensaison mit Dyn. "Unser Fazit: Dyn ist Home of Handball. Dyn zeigt alle nationalen und internationalen Wettbewerbe live in herausragender Qualität. Handball gewinnt so immens an Kontur und Sichtbarkeit, deutlich an Live-TV-Reichweite und erreicht durch zeitgemäße Content-Formate auf den Social-Media-Kanälen eindeutig eine größere und jüngere Zielgruppe", sagt beispielsweise Frank Bohmann, Geschäftsführer der Daikin Handball-Bundesliga. Diese "positiven Indikatoren machen uns für Sponsoren attraktiver, auch das ist ein messbares Ergebnis unser Medienrechtevergabe", sagt der HBL-Chef. Dazu passt der Abschluss der Liga mit Daikin als neuer Namensgeber der Liga zu Beginn dieses Jahres, der der HBL nach Informationen des kicker im Vergleich zum vorherigen Kontrakt mit Titelsponsor Liqui Moly deutlich mehr Geld bringt.
Auch Stefan Holz wirkt zufrieden: "Gemeinsam mit Dyn sind wir in eine neue Ära gestartet und konnten so den Fans ein Maß an begeisterndem Spitzenbasketball präsentieren, das es so bisher noch nicht gegeben hat", sagt der BBL-Geschäftsführer. Die Liga habe sich mit Dyn und seinen Reichweitenpartnern "für ein Gesamtkonzept entschieden, und dieser strategische Ansatz ist bislang voll aufgegangen".
Freuen dürfen sich die Ligen zudem über eine besondere Form der Förderung, die Dyn über die Initiative "Move your sport" an die einzelnen Sportarten ausschüttet. Konkret gibt der Streaming-Anbieter zehn Prozent seiner gesamten Netto-Aboerlöse an die fünf Partnerligen weiter. Dabei können Abonnenten per Klick in ihrem Nutzerprofil selbst entscheiden, in welchen Sport ihr Anteil der Abogebühren gehen soll. Für das Jahr 2024 steht schon jetzt fest, dass über die Initiative in Summe ein Betrag von über einer Million Euro an die fünf Partnerligen fließen wird.
Die Ligen wollen die aus der "Move your sport"-Initiative generierten zusätzlichen Einnahmen gezielt zur Förderung ihrer Sportarten nutzen. "Wir setzen das Geld komplett für die Mitgliedergewinnung ein, um mehr Jungen und Mädchen für unseren Sport zu interessieren", sagt etwa Daniel Sattler, Geschäftsführer der Volleyball Bundesliga. In der BBL und der Tischtennis-Bundesliga fließen die Mittel direkt in Projekte, die Nachwuchsförderung mit sozialer Nachhaltigkeit verknüpfen, wie beispielsweise das von Dirk Nowitzki unterstützte 'BasKIDball' und "TTBL macht Schule". Die HBL will derweil mithilfe der Prämie unter anderem die Jugendtrainer-Ausbildung verbessern, während die Hockey-Bundesliga beispielsweise die Professionalisierung ihrer U-18-Meisterschaften anstrebt.
Bei Dyn sind indes die Verantwortlichen samt der inzwischen über 65 Mitarbeiter mit Hochdruck dabei, die zweite Saison vorzubereiten. Diese steht laut CEO Andreas Heyden unter dem Motto "from good to great". "Jetzt fängt das inkrementelle Verbessern an", sagt Heyden. Startschuss ist am 31. August erneut der Handball Supercup.
Henning Eberhardt