01.10.2024, 12:09
Zum Tode von Dikembe Mutombo
Im Alter von nur 58 Jahren verstarb Dikembe Mutombo an den Folgen eines Hirntumors. Der Kongolese zählte zu den dominantesten Defensivspielern der Liga-Geschichte - sein Vermächtnis abseits des Courts ist aber wohl noch größer.
Die erste Assoziation sind nicht die Blocks. Es sind nicht die Defensive Player of the Year-Awards, nicht einmal die für Offensivspieler demoralisierende Geste mit dem Finger, obwohl diese bis heute in Filmen, Rap-Songs und von anderen Spielern auf dem Court zitiert wird und nicht zuletzt durch seine berühmte Geico-Werbung unsterblich wurde.
Es ist diese einzigartige Stimme, genauer die Lache, welche Dikembe Mutombo gehörte und niemandem sonst - ein Geräusch, das man bei NBA-Terminen rund um den Globus oft schon weitem hörte und das ankündigte, dass sich eine der großen Persönlichkeiten des NBA-Kosmos näherte.
Meistens nicht sehr schnell, da diese Persönlichkeit immer wieder gestoppt wurde und gefühlt für jeden Menschen ein bisschen Zeit übrig hatte. Mutombo war großzügig, offen, neugierig, so gar nicht ablehnend - ironischerweise schien seine Signatur-Geste und das zugehörige "No, no, no" nie so richtig dazu zu passen.
Es ist das Gesamtpaket, das Dikembe Mutombo zu einer besonderen Figur machte: Zu einem Hall-of-Famer, dessen enorm erfolgreiche NBA-Karriere eigentlich von fast allem überstrahlt wurde, was er neben dem Court anstellte. Zu einem Giganten, der in Erinnerung bleiben wird, weit über seinen Tod im Alter von nur 58 Jahren hinaus.
Die Basketball-Karriere machte Mutombo berühmt, ursprünglich hatte der Kongolese dabei eigentlich ganz andere Pläne. Er verließ seine Heimat mit dem Ziel Georgetown, um dort ein Doktor zu werden, ehe ihn der legendäre Head Coach John Thompson ins Zentrum seines Basketball-Programms rückte.
Egal, wie dominant er dort auftrat - Mutombo wurde zweimal Defensivspieler des Jahres in der Big East Conference -, sein Fokus war nie nur Basketball. Während seiner College-Zeit war er unter anderem Praktikant beim US-Kongress und bei der Weltbank, war vor allem an globalen Themen stets interessiert. Als er 1991 gedraftet wurde, verließ er Georgetown mit Bachelor-Abschlüssen in Diplomatie und Linguistik (Mutombo sprach insgesamt neun Sprachen).
Als "Mount Mutombo" in die NBA kam, war er bereits 25 Jahre alt - und brauchte folglich keine Anlaufzeit. 16,6 Punkte, 12,3 Rebounds und drei Blocks verschafften ihm schon als Rookie einen Platz im All-Star Game, die erste von acht Nominierungen.
Dreimal sollte er die Liga bei den Blocks anführen, bis heute hat nur sein Freund Hakeem Olajuwon mehr Karriere-Blocks angehäuft. Zwei Rebound-Kronen kamen hinzu, sowie natürlich vier Defensive Player of the Year-Awards, gleichauf mit Rudy Gobert und Ben Wallace für die meisten der NBA-Geschichte.
"Er war vielleicht der beste Defensivspieler, der je in der NBA gespielt hat", sagte Dan Issel, der Mutombo früher bei den Denver Nuggets coachte. "Ich habe Bill Russell nie spielen sehen, aber er muss schon enorm gut gewesen sein, um mit Dikembe mithalten zu können. Du hast als Coach großes Glück, wenn dein bester Spieler auch dein härtester Arbeiter ist und sich an alle Regeln hält, was bei Dikembe der Fall war."
Mutombo spielte insgesamt für sechs verschiedene Teams und blieb trotz seines hohen "Startalters" für 18 Jahre in der Liga, wobei er bis zum Ende effektiv war. Noch bei seiner letzten Station in Houston, wo Mutombo im Alter von 42 Jahren aufhörte, veränderte er als Verteidiger Spiele und startete in zwölf Spielen, als die Rockets 2008 einmal 22 Spiele am Stück gewannen.
Zeit seiner Karriere war Mutombo einer der besten Shotblocker, aber auch einer der härtesten Drecksarbeiter der Liga - der im Spiel und auch im Training keine Gefangenen machte. "Ich muss Coach mal darum bitten, Dikembe aus dem Training herauszuhalten", witzelte Rockets-Teammate Yao Ming einmal. "Wenn er im Training jemanden trifft, ist das ein Mitspieler. Im Spiel ist es wenigstens eine 50/50-Chance."
Mutombo war berühmt für seine Ellbogen - woran sich auch LeBron James bestens erinnerte. "Er hat mir das Gesicht an meinem Geburtstag gebrochen", berichtete James. "Ich ging zum Korb und fing mir einen dieser Dikembe-Ellbogen ein, und wie jeder weiß, fühlen die sich nicht gut an. Ich musste in der Nacht ins Krankenhaus und habe eine Weile lang mit Maske gespielt."
LeBron war nicht das einzige Opfer dieser Art, definiert wurde Mutombo durch diese Härte aber nicht im Geringsten. Schon während seiner Karriere engagierte er sich immer wieder für humanitäre Zwecke, startete 1997 seine eigene Stiftung und gewann unter anderem zweimal den J. Walter Kennedy Citizenship Award der NBA.
Einen speziellen Fokus hatte für Mutombo stets die Heimat, unter anderem war er entscheidend an der Gründung der Basketball Africa League beteiligt. Mit Hilfe seiner Stiftung wurde 2007 das Biamba Marie Mutombo Krankenhaus in Kinshasa eröffnet, benannt nach seiner Mutter, nachdem Mutombo persönlich über 18 Millionen Dollar dafür gespendet hatte.
2020 begann die Mutombo-Stiftung den Bau einer Grundschule im Kongo, benannt nach seinem Vater (Samuel Mutombo Institute of Science & Entrepreneurship). Das ist nur ein kleiner Auszug der Projekte, die mit oder dank Mutombo umgesetzt werden konnten. "Er hat uns zu dem gemacht, was wir sind", sagte Raptors-Präsident Masai Ujiri am Montag unter Tränen.
"Der Typ ist ein Gigant. Eine unglaubliche Person. Was sind wir ohne Dikembe Mutombo? Es ist nicht möglich. Ich habe sein Krankenhaus besucht, seine Heimatstadt, und es ist nicht vorstellbar, was der Mann für die Welt bedeutet hat."
NBA-Commissioner Adam Silver drückte es in seinem Statement ähnlich aus. "Dikembe Mutombo war größer als das Leben. Auf dem Court war er einer der besten Shotblocker und Defensivspieler in der Geschichte der Liga. Abseits des Courts hat er Herz und Seele dafür aufgeopfert, anderen zu helfen."
Mutombo war ein idealer Botschafter seiner Sportart - als Spieler arbeitete er unermüdlich und verstand auch den Entertainment-Aspekt, was sein legendäres Wedeln mit dem Finger belegt, und daneben nutzte er die Strahlkraft, um Zwecke anzugehen, die ihm am Herzen lagen. Er wurde damit zum Vorbild für etliche Menschen, die versuchen werden, ihm nachzueifern.
"Er ist jemand, zu dem ich aufgeschaut habe", sagte der in Kamerun geborene Joel Embiid. "Er hat so viele großartige Dinge getan, für so viele verschiedene Leute. Er ist eins meiner Vorbilder. Es ist ein trauriger Tag." Dem ließ sich nur beipflichten. Mutombo hinterlässt eine gigantische Lücke.
Ole Frerks