27.08.2024, 08:29
Geschichten um Hill, Penny, Petrovic und Walton
Dank ihres Talents sollten sie die Liga über Jahre prägen, dominieren. Eine Zeit funktionierte es, doch Verletzungen, Tragödien, persönliche Probleme zerstörten den rapiden Aufstieg. Verhinderte Gesichter der NBA von Penny Hardaway über Grant Hill bis Derrick Rose.
Mitte der 1990er blickten sich Beobachter gern nach dem "Next Jordan" um. Also umwehten Grant Hill tatsächlich lose MJ-Vergleiche. Dabei war Hill noch mehr Allrounder. Scoring. Rebounding. Passing. Hill konnte alles. War in allen Kategorien gern bester Spieler seines Teams. Bei rund 2,03 Metern passte er wie ein Point Guard, verteidigte auf höchstem Niveau und übernahm gleichzeitig das Scoring. "First LeBron" statt "Next Jordan", gewissermaßen. Während seiner Prime trank Hill nicht nur ein zitroniges Erfrischungsgetränk, er zählte zu den besten der Liga. Sogar Jordans Status nach dessen Karriereende lag nicht außer Reichweite. Mit Hills Wechsel zu den Magic meldeten sich jedoch seine Knöchel immer nachdrücklicher. Auf nur 47 Spiele brachte er es während seiner ersten vier (!) Jahre in Orlando. Im März 2003 brachte ihn eine Infektion nach einem großen Eingriff sogar in Lebensgefahr. Hill kam dennoch zurück, wurde sogar noch mal All-Star. Nur dominieren konnte er nicht mehr. Dafür erfand er sich als Premium-Rollenspieler neu, mutierte zum Edelverteidiger und trat erst 2013 zurück.
Penny Hardaway konnte alles. Defenses manipulieren und Teamkollegen bedienen wie ein echter Floor General. Zum Ring ziehen wie ein explosiver Slasher. Auf dem Parkett tanzen wie ein kleiner Guard. Selbst zum Wurf hochgehen wie Andreas Obst. Penny laß das Spiel, traf intuitiv gute Entscheidungen. Teilweise schwebte er über den Hardwood. Dazu die Größe: ein Point Guard im Körper eines Small Forward. Nicht einmal zwei Jahre nach dem Draft stand er an der Seite von Shaq bereits in den Finals. Er besaß seinen eigenen Signature-Schuh, mit Lil’ Penny zudem ein kultiges Alter-Ego. Penny würde die Liga anführen. Auch ohne Shaq, dem es, so gab er später zu, im Licht seines Partners zu hell wurde, den es nach L.A. zog (dass dort ein anderer grell leuchtender Guard wartete, vergessen wir an dieser Stelle). Wäre Joe Dumars Penny in den 1996er Playoffs nur nicht von hinten in die Beine gefallen. Hardaway spielte weiter, musste sich im Sommer jedoch am Knie operieren lassen. Seine Explosivität schwand. Dafür kamen in den folgenden Jahren immer mehr, immer schwerere Verletzungen. Auf 13 Jahre brachte es Hardaway am Ende. Nur dominieren wie zu Beginn konnte er nicht mehr.
Rund zehn Jahre vor seinen beiden Titeln hatte Hakeem Olajuwon schon mal die Gelegenheit, um Ringe zu spielen. Dafür essenziell: sein Partner. Gemeinsam mit Ralph Sampson bildete Olajuwon bei den Rockets Twin Towers, lange bevor 200 Meilen westlich Tim Duncan und David Robinson zusammenfanden. Sampson war damals beinahe, was Chet Holmgren oder Victor Wembanyama heute verkörpern: sehr lang (2,24 Meter), dafür mit jeder Menge Skill ausgestattet. Skyhook. Würfe blocken. Turnaround-Jumper. Fastbreaks laufen. Von weiter draußen werfen. Sampson beherrschte alles und bewegte sich dabei wie ein Wing. 1986 führten er und Olajuwon Houston in die Finals, wo die Rockets Larry Bird und den Celtics unterlagen. Nun häuften sich Verletzungen an Knien und Rücken, bis Sampson im Dezember 1987 nach Golden State getradet wurde. Dort blieb er solide. Die Dominanz war jedoch gebrochen, und bereits mit 32 gab Sampson den Verletzungen nach und trat zurück.
Unter dem Radar flog Bill Walton Zeit seiner Karriere, Zeit seines Lebens nie. Er setzte sich gegen den Vietnam-Krieg ein, gewann zwei Meisterschaften, einen Finals-MVP- sowie einen MVP-Award, wurde zwei Mal ins All-NBA First Team gewählt. Insgesamt ist Walton eine der größten und wohl beliebtesten Persönlichkeiten der NBA-Geschichte. Ein Superstar im engeren Sinne. Dennoch bleibt das "What if". Was wäre gewesen, wären Spiel und Knöchel gleichermaßen für eine NBA-Karriere prädestiniert gewesen. Spielte er, hatte Walton alles. Er verteidigte den Ring, reboundete, leitete als Center den Fastbreak ein, fand Teamkollegen in nahezu jeder Position. Auch selbst scoren konnte er. Nur eben so viel, wie es sein Körper zuließ. Bereits in der Highschool brach sich Walton den Fuß. Es sollte sich durch die Karriere ziehen. Während der 1978er Playoffs, ein Jahr nach der Meisterschaft mit den Blazers, zog er sich eine weitere Knöchelfraktur zu. Er spielte nie wieder für Portland, kam nie wieder in MVP-Nähe. In Boston, acht Jahre später, erfand sich Walton dafür neu. Er kam von der Bank, gewann 1986 den Sixth-Man-of-the-Year-Award und am Ende seine zweite Meisterschaft.
Es zählt zu den größten Tragödien der Sportgeschichte. Drazen Petrovic hätte nicht unbedingt für die EM-Vorbereitung nach Kroatien reisen müssen. Er tat es dennoch. Petrovic hätte fliegen können. Er wählte das Auto. Auf dem Beifahrersitz schlief er ein und erwachte nie wieder. Auf regennasser Fahrbahn durchbrach ein LKW die Leitplanke, rammte das Auto, das Petrovic’ Freundin steuerte. Der Kroate starb. Für sich genommen Tragödie genug. Noch trauriger mutet alles beim Blick auf Petrovic’ Karriere an. Gerade stand er auch in den USA an der Schwelle zum Star, vielleicht sogar mehr. Nachdem Petrovic in Europa dominiert hatte, startete er kompliziert in die NBA. Bei den Blazers gab es hinter Clyde Drexler und Terry Porter kaum Spielzeit. Obwohl er laut Reggie Miller (und der muss es wissen) werfen konnte wie kein Zweiter. Ein Trade nach New Jersey entfesselte alles. Mit wachsender Spielzeit schossen auch Petrovic’ Stats nach oben. Gut 20 Punkte bei rund 50 Prozent aus dem Feld und knapp 45 Prozent von draußen legte er auf. Mit seinem Hang zum Distanzwurf war Petrovic seiner Zeit voraus. Mitte der 1990er hätte er zum ersten großen europäischen Star der NBA wachsen können. Es blieb ihm, Kroatien, uns allen verwehrt…
Vorgezeichnet war nichts. Nicht einmal Skizzen gab es. Als Kind trug Shawn Kemp Schienen an beiden Beinen. Sie konnten schlicht nicht mit seinem Wachstum mithalten. Dennoch entdeckte er seine Liebe zum Spiel, später seinen Hang zu maximal krachenden Dunks. Bereits an der Highschool katapultierte seine Athletik Kemp aus der Masse. Doch es gab Hindernisse. Am College schaffte Kemp zunächst den Aufnahmetest nicht, musste ein Jahr aussetzen und wurde dann auch noch beschuldigt, seinem Mitspieler Sean, dem Sohn des Coaches, eine Kette geklaut zu haben. Kentucky und Kemp fanden nie zusammen. Über das Trinity Valley Community College - weniger typische NBA-Pfade kennt nicht einmal Derrick White - ging es dennoch in die Association. Zu den Sonics. Mit Gary Payton formte Kemp dort das spektakulärste Duo jenseits von Chicago. In den Finals 1996 hielt er zeitweise sogar mit Michael Jordan mit. Teamchemisch gab es jedoch immer wieder Probleme. Als Jim McIlvaine, ein Backup-Center, einen dicken Vertrag erhielt, hatte Kemp endgültig genug. Er hatte sich bereits zuvor unterbezahlt gefühlt. Ein Trade folgte. Was sich in Cleveland gut anließ, bescherte ihm nach dem Lockout 1998 diverse überschüssige Pfunde. Dazu kamen Drogenprobleme. Der einstige Reign Man, das Abrissunternehmen, neben dem man selbst Zion mit einem Durchschnittsathleten verwechseln könnte, verlor den NBA-Olymp rapide aus den Augen - und kehrte nie wieder zurück.
Kobe musste es wissen. Dass die Mamba selbst maximal von sich überzeugt war, ist massig überliefert. Ihren Respekt musste man sich dagegen hart verdienen. Beschreibt Kobe jemanden als einzigen Spieler neben sich, "der keine Schwächen hat", bedeutet das viel. Brandon Roy war gut. Richtig gut. Beinahe einstimmig zum Rookie of the Year gewählt, führte er die Blazers aus der Jail Blazers Ära. Roy nannte einen der schönsten - und zielsichersten - Würfe der NBA-Geschichte sein Eigen. Er konnte Spiele mit seinem Scoring übernehmen, vergaß darüber nie seine Teamkollegen. Ein Shooting Guard nahe der Perfektion. Wie Kobe eben. Nur seine Knie machten nie mit. Roys Knorpel waren derart abgenutzt, dass irgendwann kaum noch Puffer zwischen Knochen und Knochen war. OP folgte auf OP folgte auf OP. Immer seltener spielte Roy, kehrte jedoch noch einmal auf die große Bühne zurück. In Spiel 4 der ersten Playoff-Runde 2011 lag Portland gegen Dallas Ende des dritten Viertels mit 23 Punkten zurück. Roy sprang in die Zeitmaschine, legte im Schlussabschnitt 18 Zähler auf, drehte das Spiel, und der Rose Garden klang, als hätten die Blazers die Meisterschaft gewonnen. Der letzte große Auftritt. Nach dem Lockout 2011 trat Roy erstmals zurück, wagte für die darauffolgende Saison ein Comeback in Minnesota. Doch die Knie, sie wollten nicht mehr. Mit nur 28 war endgültig Schluss.
Man stelle sich vor, der Junge aus dem harten Englewood präsentiert den Fans in Chicagos Grant Park erstmals seit Michael Jordan die Larry O’Brien Trophy. Oder lässt es besser bleiben. Zu viel Hollywood. Möglich wäre es dennoch gewesen. Derrick Rose sprang mit so viel Anlauf in die Liga - und über einen Großteil seiner Gegenspieler -, dass er 2011 zum jüngsten MVP der Geschichte gewählt wurde (wenngleich einige die Auszeichnung eher LeBron zugestehen). Rose zuzuschauen war, als habe jemand das Spiel auf doppelte, dreifache Geschwindigkeit gestellt. Dazu diese Sprungfedern in den Beinen. Da die Bulls um Joakim Noah, Luol Deng und Carlos Boozer zeitgleich eine eklig zu spielende Mannschaft zimmerten, hätte Chicago eventuell LeBron und den Heat gefährlich werden können. Dann kam Spiel 1 der ersten Playoff-Runde 2012. Kurz vor Ende des Spiels knickte Rose’ Knie weg. Kreuzbandriss. Über ein Jahr pausierte er, fand danach nie wieder Vertrauen in seinen Körper und sein Spiel, dafür eine Rolle als Glue Guy und Mentor.
Max Marbeiter