04.10.2024, 11:59
Drei Kandidaten unter die Lupe genommen
Mit Kentavious Caldwell-Pope verließ der nächste wichtige Rollenspieler aus der Meistersaison die Denver Nuggets. Wer kann KCPs Shooting und Defense ersetzen? Christian Braun? Peyton Watson? Julian Strawther? Drei Kandidaten, drei unterschiedliche Profile. Jeder bringt seine Vorzüge mit. Wählt Coach Michael Malone am Ende eine Überraschung?
"Es wird ein Wettkampf". Dass Michael Malone nicht auf die Zahl absolvierter Finals-Partien schauen und ohne weitere Eindrücke den naheliegendsten Kandidaten zum KCP-Nachfolger ernennen würde, überrascht niemanden. Am wenigsten Christian Braun selbst. "Ich muss es mir selbst nehmen", sagte er der Denver Post. "Nirgendwo steht geschrieben, dass ich Starter werde." Trotz der Meisterschaft, zu der Braun als Rookie nachdrücklich beitrug, habe er in der Liga noch vieles zu beweisen.
Dass Braun bereits auf höchster Bühne glänzte, wirkt sich wohl dennoch positiv auf seine Bewerbung aus. Zumal er auch vergangene Saison fester Teil von Denvers Playoff-Rotation war. Brauns großer Vorteil: seine Physis. Er ist kräftig, gleichzeitig beweglich, kann bulligere Ballhandler verteidigen, machte sogar gegen Anthony Edwards einen soliden Job. Der minimal kleinere, weniger kräftige KCP hatte größere Probleme.
Braun liefert Energie, cuttet vorne gern Richtung Ring, um Jokic ein Ziel für jeden Pass zwischen offensichtlich und eigentlich unmöglich anzubieten. Komplikationen bringt die eigene Offense. Aus dem Dribbling kreiert Braun wenig. Dazu kommt der Wurf. Traf er in der Regular Season noch solide 38,4 Prozent seiner Dreier, sackten die Quoten in den Playoffs auf 22,2 Prozent ab.
0,8 getroffene Dreier pro Spiel illustrieren die noch größere Schwierigkeit: Braun nimmt den Dreier nicht allzu gern, lässt teilweise auch offene Würfe liegen. Für ein Team, das mit die wenigsten Dreier der Liga nimmt, nicht optimal. Gegenspieler sinken ab, die Zone wird eng. Möchte Braun Malone überzeugen, führt keine Route am Distanzwurf vorbei. Zumal mit Gordon bereits ein bulliger Defender ohne Dreier im Lineup ist.
Wirkt ein gegnerisches Play, als stünde es kurz vor dem erfolgreichen Abschluss, fliegt von irgendwo Peyton Watson heran, um Denvers Moment doch noch zu retten. Dank seiner Athletik bringt er den Nuggets etwas anarchisches, injiziert Maximaldosen an Energie. Denn für einen Wing ist Watson ein ausgezeichneter Shot-Blocker. Dank seiner berühmten 7-Foot-Wingspan kann er den Ring beschützen, gleichzeitig in Passing Lanes explodieren - und hat ganz offensichtlich Spaß daran.
"Peyton verteidigt unglaublich gern", sagte Nuggets-GM Calvin Booth direkt, nachdem Denver Watson gedraftet hatte. "Und er ist ein Basketball-Junkie. Er ist sehr intelligent, weshalb ich glaube, dass er All-Defensive-Potenzial hat." Damit Watson all das erfüllen kann, muss seine Spielzeit steigen. 18,6 Minuten stand er während seiner Sophomore-Saison auf dem Parkett, in den Playoffs waren es nur noch 9. Gegen die Wolves fiel er teilweise ganz aus der Rotation.
Das lag zu großen Teilen an der Offense. Dort sprintet Watson zwar Richtung Ring. Ansonsten ist es kompliziert. Dem Wurf mangelte es bislang an Sicherheit. Nicht einmal 30 Prozent seiner Dreier schlüpfen durch den Ring, weshalb Watson auch nur knapp zwei Mal pro Spiel abdrückte. Verteidiger orientieren sich daher eher Richtung Zone, wo das Netz um Murray, Jokic und Gordon immer engmaschiger wird.
Entsprechend gilt für Watson, was auch für Braun gilt: Fällt der Dreier, steigen die Chancen auf die KCP-Rolle. Wobei Watson in den Playoffs häufig auf der Vier aushalf. Womöglich eine gewinnbringende Variante. Zwar ist er deutlich schmaler als Gordon (wer ist das nicht?), seine defensive Aktivität, die Rim-Protection-Qualitäten, dazu der Hang zum Cut könnten ihn dennoch gut in die Rolle hineinwachsen lassen. Womöglich pendelt Watson also ein wenig zwischen den Positionen.
Ginge es einzig und allein nach dem Wurf, besäße Julian Strawther nicht die schlechtesten Aussichten. Sofern seine Rookie-Saison ein Ausreißer nach unten war. Während der traf Strawther nicht einmal 30 Prozent seiner Dreier, während es am College bei 5,3 Versuchen noch 40,8 Prozent waren. Wo die NBA-Realität liegt, kann einzig noch mehr NBA-Spielzeit zeigen. Nach solidem Start in seine Rookie-Saison musste Strawther wegen einer Meniskus-Verletzung mehrere Wochen pausieren. Nach dem Comeback erhielt er wieder Minuten, verlor seinen Rotationsplatz jedoch in Richtung Playoffs.
Als grundlegende Zweifel an Strawther will es Coach Michael Malone explizit nicht verstanden wissen. Die Nuggets haben einiges vor mit Strawther, und die Summer League zeigte in Ansätzen, weshalb. In zwei Spielen - danach hatten die Nuggets genug (Positives) gesehen - legte er 28,5 Punkte bei 42,5 Prozent aus dem Feld und 40,9 Prozent Dreiern auf.
Noch wichtiger: Strawther zeigte ein Skillset, das den Nuggets bestens zu Gesicht stünde. Aus der Distanz traf er sowohl nach Pass als auch via Pullup. Dazu kam er regelmäßig in die Zone, schloss am Ring und aus der Mitteldistanz ab, zog zusätzlich Freiwürfe. Sogar als Passer trat Strawther in Erscheinung, was Coach Malone besonders gern gesehen haben dürfte.
"Wir wollen sein Spiel ausbauen", sagte der Coach im Sommer. "Wir haben das Gefühl, dass er einer ist, der in der heutigen NBA auf der Eins spielen kann." Dabei solle Strawther kein "Full-Time-Point-Guard" werden. Stattdessen könne er einer sein, "mit dem wir das zweite Side-Pick-and-Roll spielen können, ein Secondary Ballhandler. Denn davon hatten wir nicht so viel."
Tatsächlich fehlt den Nuggets dieser Aspekt im Grunde seit Bruce Browns Abgang. Strawther könnte die Rolle mit neuem Leben füllen, was ihn zur vielleicht interessantesten Variante macht. Gleichzeitig startete Brown beispielsweise während der 2023er Finals nie, spielte am Ende dennoch knapp 30 Minuten im Schnitt. Vielleicht sieht es bei Strawther bald ähnlich aus.
Wichtiger Bestandteil von Browns Arbeitsprofil war die Defense. Im Team seien die Coaches bereits vergangene Saison mit Strawther zufrieden gewesen, sagte der Sophomore kürzlich. Sein Fokus liege daher auf seiner On-Ball-Defense, "ob es darum geht, Gegenspieler früh aufzunehmen oder sie einfach zu stören. Ich denke, ich habe die Länge und Athletik, um ein guter Defender zu sein."
Also nutzte Strawther die Offseason, um intensiv zu arbeiten. "Seit Saisonende ist er in unserem Gym", sagte Malone. Offensichtlich will Strawther seine Chance nutzen, und sein Coach schätzt seine Vielseitigkeit. Eventuell ist sie der große Vorteil. Eventuell ersetzen die Nuggets Caldwell-Pope auch nicht mit einem der Drei, sondern reagieren situativ und bringen die unterschiedlichen Stärken je nach Bedarf ein. Entscheidend dafür ist, dass sich alle weiter entwickeln. Garantien dafür gibt es nicht. Dafür umso mehr Chancen.
Max Marbeiter