28.11.2024, 09:00
Wieder mal ein US-Amerikaner auf dem Treppchen?
Etwas mehr als ein Monat ist in der neuen NBA-Saison schon absolviert, die ersten Teams haben die 20-Spiele-Marke schon erreicht. Es ist also höchste Zeit, um mal auf den ersten Zwischenstand im MVP-Rennen zu blicken! Stand jetzt könnte die Wahl in mehr als einer Hinsicht historisch verlaufen …
Die Zeiten, in denen Spieler aus den USA das MVP-Voting dominierten, ist nun schon seit einer ganzen Weile vorbei. Sechs Jahre in Folge wurde der Award von einem außerhalb der Vereinigten Staaten geborenen Spieler gewonnen, nachdem es zuvor in der gesamten Liga-Geschichte bloß drei "ausländische" Gewinner (Olajuwon, Nowitzki, Nash) gegeben hatte.
Die Dominanz von außerhalb hört aber nicht an der Spitze auf: In den vergangenen drei Jahren blieb das gesamte Treppchen stets un-amerikanisch, der letzte Ami mit einem Top-3-Finish war Stephen Curry 20/21, der damals ganze fünf (von 101) First-Place-Votes einsackte. Seither ging keine einzige dieser Stimmen an ein Mitglied von Team USA.
(Joel Embiid wurde erst naturalisiert, nachdem er seinen Award 2023 schon gewonnen hatte.)
Saison | 1. | 2. | 3. |
---|---|---|---|
23/24 | Nikola Jokic (Nuggets) | Shai Gilgeous-Alexander (Thunder) | Luka Doncic (Mavericks) |
22/23 | Joel Embiid (Sixers) | Nikola Jokic (Nuggets) | Giannis Antetokounmpo (Bucks) |
21/22 | Nikola Jokic (Nuggets) | Joel Embiid (Sixers) | Giannis Antetokounmpo (Bucks) |
20/21 | Nikola Jokic (Nuggets) | Joel Embiid (Sixers) | Stephen Curry (Warriors) |
19/20 | Giannis Antetokounmpo (Bucks) | LeBron James (Lakers) | James Harden (Rockets) |
18/19 | Giannis Antetokounmpo (Bucks) | James Harden (Rockets) | Paul George (Thunder) |
17/18 | James Harden (Rockets) | LeBron James (Cavaliers) | Anthony Davis (Pelicans) |
Wird das in diesem Jahr anders? Mal sehen - Stand jetzt allerdings hätte mindestens ein Repräsentant des Gold-Gewinners von Frankreich recht gute Karten. Gehen wir es an - wobei, ein Moment.
Honorable Mentions: Kevin Durant läuft schon jetzt Gefahr, die 65-Spiele-Marke zu verpassen (er steht bei 11). Stephen Curry spielt wohl zu wenig (unter 30 Minuten pro Spiel). Donovan Mitchell hat zu viel Hilfe und zu "leise" Statistiken. Kyrie Irving ist nicht der wichtigste Spieler seines Teams, Luka Doncic ist bisher nicht der beste Spieler seines Teams. Das Team von De’Aaron Fox hat eine negative Bilanz. Die Statistiken von James Harden (ja, wirklich!) reflektieren nicht den Wert für sein Team. Franz Wagner (ja, wirklich!) hat noch nicht das Standing, ist rein leistungstechnisch für uns aber der schwierigste Streichkandidat aktuell.
Jetzt aber wirklich! Gehen wir es an.
Stats: 29,2 Punkte, 55,5% FG, 36,1% Dreier, 11,5 Rebounds, 3,2 Assists, 3,2 Stocks (Steals + Blocks)
Davis hat die Lakers nun endlich zu "seinem" Team gemacht und punktet mehr als je zuvor in seiner Karriere, wobei er auch noch effizienter ist als je zuvor (63,3% True Shooting). Die Braue sucht unermüdlich den Weg an die Freiwurflinie, spielt weniger am Perimeter und schultert Tag für Tag die vielleicht größte Two-Way-Last aller NBA-Spieler.
Offensiv geht das für ihn und sein Team bestens auf. Defensiv ist er ein Opfer seiner eigenen Qualität: Die Lakers schicken neben ihm fast ausschließlich offensiv fokussierte Spieler auf den Court (auch LeBron ist in der Regular Season kein allzu starker Verteidiger) und verursachen mehr Lücken, als ein Spieler stopfen kann.
Aktuell verfügen die Lakers über die siebtbeste Offense und belegen defensiv Platz 24. Das passt, einigermaßen. Ihre Bilanz (11-7) ist besser, als es das Net-Rating (-0,8) andeutet. Auch die Minuten mit AD auf dem Court werden verloren (-2,4). Das spricht nicht unbedingt für einen guten MVP-Case am Ende der Saison, für den Moment gehört Davis aufgrund seiner Wichtigkeit für ein Top-5-Team im Westen und seiner individuellen Zahlen aber mit in die Konversation.
Stats: 32,4 Punkte, 60,8% FG, 11,9 Rebounds, 6,4 Assists, 2 Stocks
Den schaurigen Start haben die Bucks mit acht Siegen aus den letzten elf Spielen hinter sich gelassen, auch wenn die Bilanz noch immer nur ausgeglichen ist (und die Siege nahezu alle gegen Sub-.500-Teams eingefahren wurden).
Richtig gut sind die Bucks weiterhin nicht, auch nicht in den Minuten von Giannis, die sie erstmals seit seinem Sprung auf das Superstar-Level tatsächlich sogar verlieren (Net-Rating: -0,7). Seine Defense ist nicht auf dem DPOY-Level vergangener Tage. Es wirkt daher nicht richtig, ihn weiter nach oben im Ranking zu schieben.
Und gleichzeitig würde es auch noch nicht richtig wirken, ihn komplett wegzulassen, wenn er punktet wie ein Besessener und dabei erneut über 60% seiner Würfe trifft. Giannis lässt den Dreier mittlerweile fast komplett weg (0,9 pro Spiel) und konzentriert sich mehr auf die richtigen Abschlüsse, was ihn unterm Strich zu einem noch besseren Offensivspieler macht. Seine Feldwurfquote ist nun höher als die Freiwurfquote (60,2%).
Mit einer negativen Bilanz würde Giannis am Ende der Saison nicht auf dem Wahlzettel landen, zu diesem Zeitpunkt müssen wir den Teamerfolg aber noch nicht zum Ausschlusskriterium machen, wenn die individuellen Zahlen so überragend sind. Die allermeisten Advanced Stats sehen Giannis noch immer mindestens als Top-3-Spieler.
Stats: 29,5 Punkte, 50,5% FG, 33,3% Dreier, 5,3 Rebounds, 6,4 Assists, 2,8 Stocks
Hier wird es langsam spannend. SGA bleibt verlässlich wie eh und je: Einmal blieb er in der Saison bisher unter 20 Punkten, einen Ausreißer nach oben gab es (Career-High 45 gegen die Clippers), ansonsten erzielt der Kanadier in jedem Spiel zwischen 21 und 37 Punkten.
In dieser Verlässlichkeit erinnert er zum Teil an Durant, den besten Spieler der bisherigen Franchise-Geschichte der Thunder. Gilgeous-Alexander hat dabei vor allem sein Volumen von der Dreierlinie gesteigert, mehr als zuvor nimmt er auch mal den Pullup-Dreier und ist damit offensiv noch variabler und gefährlicher geworden.
Hinten trägt er seinen Teil zur besten Defense der Liga bei und sammelt fleißig Steals und Blocks, wobei sein Impact hier wie im Vorjahr leicht überschätzt wird, als er sogar Siebter im DPOY-Voting wurde. Die Defense ist in seinen Minuten zwar auch extrem gut (94. Perzentil), ohne ihn aber sogar noch um 5,7 Punkte besser. Shai kann ein guter Verteidiger sein, aber er trägt die Defense seines Teams nicht unbedingt.
So oder so: Gilgeous-Alexander ist, wie in den Jahren zuvor, ein absoluter Liebling der Advanced Stats, unter anderem Zweiter bei Win Shares, Box Plus/Minus und Value Over Replacement Player. Er ist weiter einer der Top-Kandidaten, um am Ende sogar ganz oben zu stehen, auch wenn er in einem tiefen Team spielt.
Stats: 28,4 Punkte, 45,1% FG, 37,3% Dreier, 8,2 Rebounds, 5,8 Assists, 2 Stocks
Zwischen Platz 3 und 2 ist es enorm knapp - viele Advanced Stats bevorzugen eher Shai, der On/Off-Swing ist bei beiden sehr gut (+7,8 für Tatum, +9,7 für Shai), die offensive Produktion ist ähnlich, wobei Gilgeous-Alexander etwas effizienter ist. In tiefen, sehr guten Teams spielen ohnehin beide.
Tatum bekommt hier aktuell aber den leichten Zuschlag - weil sein Team bisher noch etwas besser ist, obwohl es bis zum Spiel gegen die Clippers am Montag auch nie komplett war (15-3), und weil Tatum aufgrund seiner positionellen Vielseitigkeit ein wertvollerer Verteidiger für sein Team ist als SGA auf der Gegenseite.
Gerade ohne Kristaps Porzingis ist es regelmäßig Tatum, der gegnerische Center verteidigt, während er auf der Gegenseite den de-facto-Point-Guard für sein Team gibt und die meisten Assists seiner Laufbahn verteilt. Tatums Jumper ist zudem zurück, momentan treffen nur vier Spieler mehr Dreier pro Spiel als er (4,0 pro Partie).
Bisher ist Rang 4 Tatums bestes Abschneiden im MVP-Voting. Wenn er so weitermacht, könnte es diesmal mindestens für einen Platz auf dem Treppchen reichen.
Stats: 29,7 Punkte, 56,8% FG, 53,4% Dreier, 13,1 Rebounds, 10,6 Assists, 2,4 Stocks
Der ausführliche Case findet sich hier. Wahrscheinlich reicht aber auch einfach ein Blick auf die Statline: Jokic ist der beste Spieler der bisherigen Saison, zu einem fast schon lustigen Ausmaß.
Das Problem: Seit dem obigen Artikel hat der Serbe aufgrund der Geburt seines Sohnes drei Spiele verpasst, von denen Denver eins gewann. Seit seiner Rückkehr stehen sie ebenfalls bei 2-2 und damit insgesamt bei 10-7 - das reicht aktuell für Platz 7 im Westen, was über die Saison gesehen nicht gut genug wäre für MVP-Award Nummer vier.
Wie üblich gilt hier also: Abwarten, noch ist die Saison lang. Aktuell wirkt es aber schwierig, sich ein richtig gutes Argument außer "Teambilanz" gegen Jokic vorzustellen.
Ole Frerks